Ein Blog von Arno Abler
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Die Südtiroler Schützen wollen also den Festumzug zum Gedenken des Tiroler Freiheitskampfs nutzen, um für ein vereintes Tirol zu demonstrieren. Und schon regen sich Stimmen, welche die Absage des ganzen Events fordern.

Aber warum gleich das Kind mit dem Bad ausschütten?

Man mag zu den Aktivitäten, Haltungen und Zielen der Andreas-Hofer-Nachfahren südlich des Brenners stehen, wie man will. Ich persönlich halte die Wiedervereinigung Tirols in Zeiten einer immer näher zusammenrückenden Europäischen Union für nicht mehr notwendig und bei der derzeitigen Stellung Südtirols innerhalb Italiens auch sicher für nicht mehrheitsfähig. Vielmehr sollte noch mehr als bisher daran gearbeitet werden, die Nordtiroler mit den Südtiroler Aktivitäten im wirtschaftlichen, kulturellen, sportlichen und sozialen Bereich zu vernetzen. Die offene Grenze bietet alle Möglichkeiten dazu.

Aber es ist in einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft definitiv erlaubt, Meinungen zu äußern und Positionen einzunehmen. In regelmäßigen Wahlen entscheidet das Volk, ob diese Meinungen und Positionen breite Unterstützung bekommen oder eben nur eine Randerscheinung sind. Aufwiegelungen aus dem Wiener Parlament sind dafür allerdings so hilfreich wie ein Kropf.

Den Festumzug zu einer homogenen Folkloreveranstaltung zu degradieren, bei der nur eine vorgegebene Ideologie geduldet wird, entspräche aber nicht der komplexen Situation von 1809, auch nicht der schweren und leidvollen Entwicklungsgeschichte unseres Landes seit jener Zeit. Das Land Tirol tut gut daran, das Motto „Vergangenheit trifft Zukunft“ über die Veranstaltung am 20. September zu schreiben und auch eine Vielfalt von Haltungen unter diesem Dach zuzulassen, sofern sie friedlich und legal eingebracht werden. Da haben die Transparente des Südtiroler Schützenbunds wohl auch Platz, ohne die versöhnliche Grundhaltung des Höhepunktereignisses im Gedenkjahr zu gefährden. Das muss eine lebendige Demokratie aushalten. Meinungszensur wäre mit Sicherheit schädlicher als ein paar unkonforme Transparente.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Tags:
festumzug , 1809 , demokratie , andreas hofer , europa

Am 13. Mai jährte sich zum 200sten Mal die desaströse Schlacht bei Wörgl, in der rund 1000 Menschen an beiden Frontlinien ihr Leben verloren und ein erheblicher Teil des Dörfchens Wörgl niedergebrannt wurde.

Grund genug für die Schützen, Kameraden, Werte- und Traditionsvereine des verheerenden Ereignisses von 1809 zu gedenken, einen Kranz niederzulegen, eine Mahnwache vor dem Gefallenendenkmal, dem trauernden ‚Wörgler Rearer‘, zu stellen und am Grattenbergl, einem der Zentren des damaligen Schlachtgeschehens, eine Gedenkmesse zu feiern und eine Mahntafel aufzustellen.

Auf den ersten Blick mag das dem unbedarften Zuschauer so erscheinen, als wären diese Aufmärsche allein dazu da, die einstige verlustreiche Schlacht zu betrauern und die Helden zu verehren, aber damit würde er die Sache nicht komplett erfassen.

Natürlich sind die Traditionsvereine dazu da, die Ereignisse der Vergangenheit zu überliefern, zu tradieren, aber nicht, um sie zu verherrlichen, sondern um als gemeinsames Mahnmal daran zu erinnern, was schiefgelaufen ist in unserer Gesellschaft. Sie sollen uns stets ermahnen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, ja, immer wieder darüber nachzudenken und Lösungen zu finden, welche mit unseren menschlichen Grundwerten konform sind.

Wir reden hier also über Werte und nicht über Kriege. Nicht umsonst hat Wörgl das Jahr 2009 zum Jahr der Werte erklärt und führt mit einem bunten Reigen von Veranstaltungen an dieses Thema heran. Was sind denn aber nun diese Werte, die so wichtig sein sollen? Ich möchte hier drei Kategorien unterscheiden:

Zum ersten die Modeströmungen: Diese Werte drücken sich beileibe nicht nur in der Kleidung aus sondern vor allem auch in der Sprache und Kommunikation, den Gewohnheiten, Treffpunkten oder im Vereinsleben, sind meist nicht sehr nachhaltig, werden kaum emotional verteidigt, dienen aber dazu, die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu symbolisieren. Manche Werte der Jugend sind zum Beispiel ganz andere als die der Erwerbsgesellschaft, aber auch die der älteren Generation.

Schwierig wird es bei den gesellschaftlichen Werten: Vordergründige religiöse Riten und Regeln, Ideologien aber auch Heimatverbundenheit und Kultur sind durchaus legitim und sogar wichtig für das Funktionieren ganzer Staaten, Kulturkreise oder Religionsgemeinschaften. Sie bergen aber, wenn man nicht vorsichtig mit ihnen umgeht, die enorme Gefahr, mit den echten Grundwerten verwechselt zu werden und wie Götzenbilder im Kampf gegen Andersdenkende als Rechtfertigung für Gewalt, Grausamkeit und Unmenschliches zu dienen. Diese Werte gründen nicht sehr tief im ethischen Boden, sind aber identitätsstiftend und daher sehr stark emotional verankert. Die Folge dieser Fehleinschätzung sind Ausländerfeindlichkeit, Rassenressentiments, kulturelle Überheblichkeit, internationale Konflikte und Religionskriege. Diese Werte haben in der Geschichte der Menschheit den mit Abstand größten Schaden angerichtet und ich glaube sogar, dass es die Hauptaufgabe der Menschheit ist, wenn es denn eine Aufgabe gibt, diese Ebene der Werte irgendwann zu überwinden.

Damit sind wir bei den fundamentalen Grundwerten der Menschheit angelangt, die sich wenig überraschend auch mit den wahren Grundwerten aller Weltreligionen decken, bei jenen Werten, die tief im Leben verankert und schlechthin die Basis der Menschlichkeit sind. Diese Werte stehen nicht zur Disposition, sie aufzugeben bedeutet zugleich aufzuhören, Mensch zu sein.

Ich habe für mich dabei drei Ankerwerte identifiziert, aus denen zahlreiche andere abgeleitet werden:

- Die persönliche Integrität nach innen.
Sie bedeutet nichts anderes als zu versuchen, ein guter Mensch zu sein. Darauf bauen Ehrlichkeit, Zufriedenheit, Gerechtigkeit, Bescheidenheit aber auch Bildungs- und Lernbereitschaft auf.

- Die Wertschätzung dem Mitmenschen gegenüber.
Sie gebietet, jedem Menschen ohne Ansehung von Rasse, Religion, Stand oder Kultur in Achtung und positiver Grundhaltung gegenüberzutreten. Davon leiten sich Toleranz, Vertrauen, Ehre oder Würde ab.

- Die Solidarität gegenüber der gesamten Menschheit.
Sie verlangt die aktive Anteilnahme an der Durchsetzung der Grundwerte und der Verbesserung unserer Welt. In ihrem Gefolge finden wir Altruismus, Zivilcourage, Engagement und Verantwortung.

Das Jahr der Werte soll uns Anlass sein, über diese Dinge nachzudenken und uns mit unseren persönlichen Werten, mit den Werten unseres Umfelds, unserer Gemeinde, Kultur und Gesellschaft und mit den echten Grundwerten auseinanderzusetzen. Dazu lade ich Sie ganz herzlich ein!

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Tags:
werte , tradition , wertejahr , 1809

Gestern, am 13. Mai 2009, trafen wir uns mit den Werte- und Traditionsvereinen von Wörgl vor dem Wörgler Rearer, dem einfühlsamen Denkmal für die verlorene Schlacht bei Wörgl vor 200 Jahren, um uns an die damalige schwere Zeit zu erinnern und einen Kranz niederzulegen.

Wir, das sind eine Handvoll Gemeinderäte, ein paar Ehrengäste und eine kleine Schar interessierter Wörglerinnen und Wörgler. Damals starben rund 1000 Menschen im Kampf um unsere Heimat, das halbe Dorf wurde niedergebrannt, Straßen wurden später stolz nach den Freiheitskämpfern aus unseren Reihen benannt und das berühmte Denkmal vom Imster Bildhauer Christian Plattner unter Anwesenheit des Erzherzogs Eugen von Habsburg zur 100-Jahr-Feier 1909 feierlich enthüllt.

Ich frage mich, warum man heute keinen Anteil mehr nimmt, an bedeutenden historischen Ereignissen, welche unser Lebensumfeld massiv geprägt haben. Warum interessiert sich heutzutage kaum jemand für die Geschichte der Heimat? Der 13. Mai 1809 war eines der einschneidendsten lokalen Ereignisse überhaupt? In der 12.500-Einwohner-Stadt Wörgl stehen 50 Passanten hinter den feierlich aufmarschierten Schützen, Kameraden, Veteranen, Musikanten, Sängern, Feuerwehrmännern und Jungbauern. Im kleinen Dorf Wörgl 1909 waren es Hunderte, die bewegt der früher Gefallenen gedachten.

Ist unsere Zeit oberflächlich geworden? Gibt es zu viel von allem, sodass nichts mehr wirklich wichtig ist? Oder hat man in der schnelllebigen Stadt Wörgl einfach keinen Bezug zu den historischen Wurzeln?

Ein heute sehr nachdenklicher Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

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1809 , geschichte , werte , wertejahr

Im Jahr 2009 wird in Tirol unter anderem der Tiroler Freiheitskämpfe von 1809 gedacht, deren Hauptproponent, der Sandwirt Andreas Hofer aus dem Passeiertal, dabei allenthalben im Mittelpunkt steht.

Andreas Hofer wird vor allem seit den letzten hundert Jahren als verklärter Nationalheld Tirols gesehen und jahrzehntelang war es undenkbar, seine Rolle als aufopfernder Vater der Tiroler Freiheit historisch zu hinterfragen. Der Aufstand der Tiroler Bauern gegen die französisch-bayerische Besatzung war wohl verständlich vor dem Hintergrund, dass den gläubigen Tirolern ihre religiösen Bräuche, Prozessionen und sogar das Wetterläuten verboten wurde, dass man keine Rücksicht auf die heimische Kultur und Tradition legte und sogar forderte, dass entgegen der Zusicherung des Tiroler Landlibells von 1511 die heimischen Burschen auch außerhalb Tirols einzurücken hatten.

Weniger verständlich wird der Aufstand schon mit der Begründung, dass man die Pocken-Impfung verpflichtend einführen wollte, was in manchen verklärt klerikalen Tiroler Augen die ketzerische Auflehnung gegen das gottgewollte Lebensende darstellte. Viele aus der Bürgerschicht waren daher weniger begeistert über die Landsturm- und Schützeneuphorie, dem "Feind" die Stirn zu bieten, wurden doch die Bayern und Franzosen dort als eher fortschrittlich und aufgeschlossen gesehen.

Bereits kurz nach den Kriegstagen von 1809 wurde Andreas Hofer verklärt als der wahre Volksheld, obwohl er eher unfreiwillig in die alleinige Führungsrolle gedrängt wurde. Er wurde natürlich vor allem von den napoleonischen Gegnern als Bannerträger missbraucht, weil er der erste war, der dem herrschsüchtigen Franzosen Paroli bieten konnte. Dieses Thema wird umfassend und spannend in der Ausstellung von Martin Reiter im Wörgler KOMMA dargestellt, die noch bis 22. Mai zu sehen ist und die ich jedem nur intensiv ans Herz legen kann.

In den heutigen Tagen wird der Sandwirt neuerlich missbraucht, nämlich um die Heimatverbundenheit und Werthaltigkeit des Landes Tirol anzukratzen. Im Tiroler Landtag war ich Zeuge, als die Tiroler Grünen Hofer als Taliban skizzierten, weil er erkzonservativ war, die Frauen nicht als gleichberechtigt sah, Krieg führte und der Glaube eine wichtige Triebfeder seiner Handlungen war.

Das ist mehr als nur unfair! Man muss jede historische Persönlichkeit, ihre Taten, Haltungen und Werte stets im Kontext der jeweiligen Zeit sehen. Auch wir möchten nicht in zweihundert Jahren nach dem bewertet werden, was dann opportun sein mag, sondern aus unserer heutigen Zeit und deren gültigen Rahmenbedingungen.

Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass viele Werte einer Gesellschaft nicht starr und unabänderbar sind sondern sich dynamisch mit der Entwicklung des Umfelds ändern. Wir sind daher verantwortungsvoll aufgerufen, diese Veränderungen unserer Werte argwöhnisch zu beobachten und stets auch an menschlichen, ethischen und religiösen Grundsätzen zu prüfen. Genau aus diesem Grund hat Wörgl 2009 zum "Jahr der Werte" erklärt.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Tags:
wertejahr , andreas hofer , geschichte , 1809

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