Ein Blog von Arno Abler
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Bedingungsloses Grundeinkommen - Lösung oder Irrweg?

Ein Terminus zieht sich seit Jahren durch die ideologische Gebirgslandschaft wie der Grand Canyon und sorgt für erbitterte Auseinandersetzungen zwischen Parteien, NGOs und Lobbyisten – das Bedingungslose Grundeinkommen. Ein Streit um Kaisers Bart? Nicht ganz.

In dem legendären Roman Utopia schlug Thomas Morus bereits im Jahr 1516 ein jedermann zustehendes Grundeinkommen für jeden Staatsbürger vor, das seine Existenz sichern und ihn dafür vom Diebstahl abhalten sollte. Utopia wurde nie in die Realität umgesetzt und so bleibt Morus noch heute den Beweis schuldig, dass das wirklich funktionieren könnte.

Heutzutage gibt es in den aufgeklärten und religiös wie ethisch entwickelten Gesellschaften einen Grundkonsens der Menschlichkeit, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben in einem würdigen Umfeld haben soll. Das entspricht im offiziellen Sprachgebrauch dem Existenzminimum. Dieser Mindestbetrag, der in jeder Volkswirtschaft eine andere Höhe hat, muss Jeder und Jedem ein warmes Dach über dem Kopf, eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und klimagerechte Bekleidung sicherstellen.

Dafür gibt es in unserem Staatsgefüge ein komplexes Portfolio an unterstützenden Maßnahmen, das historisch zu einem unübersichtlichen und leider auch dem Missbrauch zugänglichen Sozialsystem geführt hat. Sozialbeihilfe, Notstandshilfe, Sondernotstand, Wohnbeihilfe, Mietzinsbeihilfe, Arbeitslosengeld, Versehrtenrente, Heizkostenzuschuss und zahlreiche andere Titel führen zum oftmals unwürdigen Sammeln von Sozialleistungen und mangels voller Transparenz oft auch zu Missgunst und Aggressionen. All diese Transferzahlungen zusammenzufassen brächte daher nicht nur eine enorme Verwaltungsvereinfachung sondern auch ein klares, ethisch korrektes Versorgungsmodell der Schwächsten in unserer Gesellschaft.

Ob dies nun als Bedingungsloses Grundeinkommen bezeichnet wird wie von linken Ideologen oder als negative Einkommensteuer wie vom Guru des Kapitalismus Milton Friedman, ändert vorerst nichts an der Sache. Auch die Höhe dieses Existenzsicherungsbeitrags ist Aufgabe politischer Verhandlung und sollte auf wissenschaftlichen Grundlagen und den diversen Preisniveaus beruhen. Jedenfalls ist eine Höhe anzustreben, bei dem zwar der notwendige Lebensunterhalt gesichert ist, die Motivation bescheidener Leute, zu arbeiten, aber nicht verloren geht. Von der Arbeit allein lebt jedes Volk, der Wohlstand jedes Einzelnen beruht auf der Summe der Arbeitsleistungen Aller. „Im Schweiße eures Angesichts sollt ihr euer Brot verdienen!“ (Gen 3,19) Wenn ein Großteil der Bevölkerung die Arbeit als überflüssig ansieht, weil mit dem Grundeinkommen das Auslangen gefunden wird, sinkt der Wohlstand insgesamt, das Grundeinkommen reicht nicht mehr aus und muss erhöht werden. Die Gesellschaft versinkt im Morast der Untätigkeit.

Der Stein des Anstoßes ist, ob dieser Grundsicherungsbetrag nur als Mindesteinkommen gelten und bei zusätzlichen Einkommensteilen entsprechend reduziert werden soll, oder ob das Grundeinkommen jedenfalls zusteht und jedes weitere Einkommen wie Renten, Zinsen, Kapitalerträge, Löhne und Unternehmensgewinne zusätzlich lukriert werden kann.

Und schon wird es eng. Die zweite Variante wäre schön, weil sie zur Arbeit motiviert, wirft aber die Frage auf, woher das zusätzliche Geld kommen soll, das dann all jene erhalten würden, die derzeit nicht auf öffentliche Zuschüsse angewiesen sind. Eine wunderbare Geldvermehrung führt unweigerlich zur Inflation und damit zur Entwertung ebendieses Geldes. Ein Grundeinkommen, das jedem zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt zusteht, würde auch zu erheblichem, neuem Zuwanderungsdruck führen und damit den sozialen Frieden belasten.

Wenn aber der Basisbezug wie in Variante eins von realem Einkommen 1:1 aufgefressen würde, wäre wohl niemand bereit, niedrig qualifizierte und damit niedrig bezahlte Aufgaben zu übernehmen, wenn er damit auch nicht mehr Geld zur Verfügung hat als ohne Arbeit. Manche werden einwenden, dass dann eben nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage die Niedriglöhne steigen würden. Falsch! Damit würden die Betriebe mit niederqualifizierten Arbeitsplätzen ins Ausland abwandern, weil sie dort konkurrenzfähiger sind, und damit bei uns erst Recht die Arbeitslosigkeit erhöhen und den Wohlstand mindern.

Ein sensibles Thema also, das nur mit Vernunft und nicht mit ideologischen Parolen angegangen werden kann. Aber gerade in diesen Tagen, da viele Menschen ihre Wohnungen nicht mehr zahlen können und Lebensmittel für sie unfinanzierbar werden, ist diese Diskussion dringend zu führen.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Kommentare (3)

Kommentar vom: Montag, 21. September 2009 16:02:20

Grundeinkommen ohne wundersame Geldvermehrung

Sehr geehrter Herr Abler,

ich finde es sehr erfreulich, dass Sie sich als Bürgermeister der in Geldsachen so geschichtsträchtigen Gemeinde Wörgl mit dem Grundeinkommen auseinandersetzen!

Zur Frage "...woher das zusätzliche Geld kommen soll, das dann all jene erhalten würden, die derzeit nicht auf öffentliche Zuschüsse angewiesen sind" gibt es allerdings andere Antworten als die wunderbare Geldvermehrung mit darauffolgender Inflation.

Zum Beispiel das Modell der Finanzierung über die Mehrwertsteuer, und gleichzeitiger Streichung von Einkommensteuern, welches im Film "Grundeinkommen" von Daniel Häni und Enno Schmidt (http://www.kultkino.ch/kultkino/besonderes/grundeinkommen) anschaulich und präzise dargelegt wird (Details ab 1h 07min).

Für ein Grundeinkommen braucht es kein zusätzliches Geld, sondern nur eine andere Verteilung. Die Entlastung der Arbeit von Einkommensteuern macht lokale Produktion wieder lohnend, übermässigen Konsum und Verschwendung jedoch weniger. Beides ist gesellschaftlich und ökologisch äusserst sinnvoll.

Ich gehe jedoch mit Ihnen einig, dass ein Mindesteinkommen, das von einem Arbeitseinkommen "aufgefressen" wird, keine Lösung ist. Das wäre nur ein weiteres dieser schon viel zu zahlreichen Systeme mit komplett falschen Anreizen - ein Bestrafen derer, die für ihr Einkommen arbeiten wollen.

Genauso wie die Einkommenssteuer auch die Arbeit bestraft, auch wenn es historisch gesehen gute, v.a. auch administrative bzw. erhebungstechnische Gründe gab, an der Stelle anzusetzen. Heute gibt es modernere Steuern, wie die Mehrwertsteuer, deren Erhebung längst kein Problem mehr ist.

Gerade im Zusammenhang mit einem Grundeinkommen finde ich es unerlässlich, generell die Anreize (und Motivationsbremsen) genau anzuschauen, die durch staatliche Geldflüsse verursacht werden, insbesondere wenn diese auf veralteten Annahmen und Denkmustern beruhen.

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Zeller


Kommentar vom: Samstag, 13. März 2010 16:11:35

Mal mitgedacht und nachgefragt!

Läst sich die Annahme hinter diesem wohlbedachten Beitrag vermuten, das hier ein Contra BGE und ein Pro Bürgergeld, wie es die Liberalen in den Raum stellen, zu vermuten ist?

Und:

Wieviel Arbeit wird noch benötigt und wo bleibt die Qualität der Arbeit?

Einschlägiges wusste Hermann Glaser darüber in einem Bericht "Die Zeit" schon 1987 zu berichten:

Der durch die Mikroelektronik bewirkte Rationalisierungssog macht menschliche Arbeitskraft in großem Umfang überflüssig (in bestimmten industriellen Produktionsfeldern gilt sie bereits heute nur als „Restarbeit"). Das ist in einem gewissen Umfange durchaus zu begrüßen, da damit auch inhumane, entfremdete Arbeit wegfällt, weil sie von der Maschine übernommen wird. Die verbleibende „lebendige Arbeit” müßte aber gerecht verteilt werden; das Recht auf Arbeit ist als Grundrecht unumstößlich.
Die gerechte Verteilung von Arbeit ist möglich durch die Schaffung von neuen Arbeitslätzen wie durch Arbeitszeitverkürzung; Arbeitsplatzneuschaffungen sind vor allem notwendig im pädagogischen, sozialen, soziokulturellen und kulturellen Bereich, da hier zunehmend die Bedürfnisse einer immer weniger arbeitenden Gesellschaft liegen werden.

Mehr unter:

http://www.archiv-grundeinkommen.de/die-zeit/diezeit-19871023.htm




Kommentar vom: Dienstag, 20. April 2010 11:25:40

Information zum BGE - Bedingungslosem Grundeinkommen

Für konkrete Information über das Grundeinkommen, möchte ich folgende LINKs der Universität Karlsruhe - Interfakultatives Institut für Entrepreneurship, empfehlen:

UmfangreicheTexte: http://www.iep.uni-karlsruhe.de/19.php

Sehr empfehlenswert, die Neuerscheinung von Andre Presse: (download) - http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000015984

Aus der anthroposophischen Sicht: Rohrhirsch



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