Ein Blog von Arno Abler
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Braucht Wörgl um jeden Preis eine Fußgängerzone?

Der Wunsch, die Bahnhofstraße für den motorisierten Verkehr zu sperren und auf Dauer den Bummlern, Window-Shoppern und Flaneuren zu reservieren, ist schon Jahrzehnte alt. Und gerade vor Gemeinderatswahlen keimt diese Diskussion gerne wieder auf.

Es ist schön, wenn man durch die Wiener Kärntnerstraße, die Salzburger Getreidegasse oder die Innsbrucker Altstadt promenieren und ungestört von Autos die Auslagen der zahlreichen Souvenier- und Einzelhandelsgeschäfte bewundern kann. Aber lässt sich dieses Ambiente, das wir auch von den Fußgängerzonen unserer beliebten Urlaubsdomizile kennen, einfach auf Wörgl übertragen? Das Experiment hätte einen enorm hohen Preis, wenn der Erfolg ausbliebe und die Geschäfte aufgrund erheblicher Umsatzeinbußen der Reihe nach schließen müssten.

Daneben gilt es noch, ganz pragmatisch die Rahmenbedingungen (Zufahrten, Verkehrsströme, Anlieferung, etc.) zu berücksichtigen. Der Teufel steckt eben oft im Detail. So ist zum Beispiel die Zufahrt zu zahlreichen Liegenschaften der Bahnhofstraße nur durch selbige möglich. Man kann aber wohl nicht ganze Häuser (inkl. der Apotheke) ihrer Zufahrt berauben. Zahlreiche Ausnahmen für Anrainer, Behinderte, Taxis, City-Busse, etc. würden aber andererseits das Konzept so sehr verwässern, dass man im Endeffekt wieder nur von einer Verkehrsberuhigung sprechen könnte.

Ein Versuch an den Wochenenden über eine längere Zeit und auch die gelegentlichen Straßensperren bei Veranstaltungen haben eindeutig ergeben, dass die betroffenen Geschäfte in den gesperrten Zeiten durchwegs Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatten, was derzeit, wo es aufgrund der wirtschaftlichen Situation ohnehin alle schwer haben, besonders fatal wäre. Fußgängerzonen brauchen ein touristisches Umfeld, das in Wörgl nur in der Hochsaison bei Schlechtwetter gegeben ist, wo die Gäste der Region bei uns Shoppen gehen.

Das schöne Gefühl, ungestört bummeln zu können, sorgt allein offenbar noch nicht für höhere Kaufkraft. Vor leeren Geschäften zu flanieren, kann aber auch nicht das Ziel sein. Viele der Geschäfte in der Wörgler Bahnhofstraße sind aufgrund ihres Sortiments derzeit kaum geeignet für eine Fußgängerzone. In einer solchen darf es normalerweise nur Dinge geben, die man in einem Plastiksackerl mitnehmen kann. Sicher kann man argumentieren, dass sich die Geschäftsstruktur langfristig den Rahmenbedingungen anpassen würde, aber das ist zynisch, bedeutet es doch, dass die „unpassenden“ Geschäfte ihre Existenz verlieren würden.

Die vier Adventssamstage, an denen die Innenstadt für den Fußgängerverkehr reserviert ist, sind sehr beliebt, aber sogar an diesen klagen die Geschäfte über geringere Umsätze als sonst. Es braucht für eine funktionierende Fußgängerzone neben gewachsenen Strukturen und einem touristischen Umfeld zahlreiche Rahmenbedingungen wie ein effizientes Stadtmarketing, das wir derzeit gerade neu aufstellen, Verkehrslösungen wie Zufahrten und Parkplätze, vor allem aber eine zuversichtliche Grundstimmung der Betroffenen.

Es ist nicht die Zeit für riskante Experimente. Das Umfeld spricht derzeit gegen eine Fußgängerzone in der Wörgler Bahnhofstraße. Man wird sehen, was die Zukunft bringt, aber solch gravierende Entscheidungen sind mit großer Sorgfalt und Verantwortung vorzubereiten und zu treffen. Und verantwortungsvolles Handeln darf nicht durch populistische Forderungen geleitet werden.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Kommentare (2)

Kommentar vom: Donnerstag, 11. März 2010 09:34:34

Fußgängerzone? Ja, auf jeden Fall!

Aber eine Fußgängerzone mit Augenmaß!

Was unsere Stadt nicht braucht, ist eine tägliche oder durchgehende FZ. Das ist weder möglich noch erwünscht noch praktisch noch erforderlich.

Aber Wörgl bräuchte eine temporär vernünftig bemessene und lokal auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Interessen der Kaufmannschaft abgestimmte fahrzeugfreie Zone.

Was wir also nicht machen sollten:

- eine Fußgängerzone von September bis November und von Jänner bis Mai;
- eine FZ rund um die Uhr;
- eine FZ ohne Ausnahmen;
- eine FZ ohne begleitende Maßnahmen; und
- eine FZ um jeden Preis.

Und was für Wörgl gehörte:

- eine FZ jeweils zwischen 15. Mai und 15. September sowie zwischen 1. Dezember und 6. Jänner;
- innerhalb diese Zeiträume jeweils nur an Samstagen von 12.00 bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10.00 bis 20.00 Uhr;
- während der FZ-Zeiten Gratisparken und Gratis-Citybusbenützung in der Innenstadt und den Parkhäusern für alle Verkehrsteilnehmer;
- während der FZ-Zeiten Ausnahmen nur für Einsatzfahrzeuge, Behindertenfahrzeuge und Anwohner, die sonst nicht zu ihren Garagen etc. kommen können;
- räumliche Begrenzung der FZ auf die Bahnhofstraße zwischen Stöckl- und Giselastraße; und
- Vorsorge für entsprechende Veranstaltungen während der FZ-Zeiten im FZ-Bereich.


Damit geht weder ein Betrieb in der Bf-Straße (bzw im FZ-Bereich) mehr in Konkurs als ohne FZ (oder was dergleichen von den FZ-Gegnern an die Wände gemalte Schreckgespenster mehr sind), noch kommt irgendwer nicht komfortabel genug an sein Ziel, noch gibt es sonst eine ernstzunehmende Gegenargumentation. Im Gegenteil: Es gibt genug Leute, die viel lieber in große Einkaufszentren flanieren und "shoppen" gehen, eben weil sie dort vom Lärm und Gestank des Verkehrs sowie auch der von diesem ausgehenden Gefahren verschont werden.

Jede größere Gemeinde auf dieser Welt, die etwas auf sich hält und die eine zumindest gewisse Bedeutung in der Geographie hat, besitzt zumindest etwas ähnliches wie eine FZ. Und nirgendwo ist sie bisher wieder (komplett) aufgelassen worden.

Jedenfalls wären alle gut beraten, bei einer sachlichen und vernünftigen Diskussion über dieses Thema, das allzugerne polarisiert, zu bleiben, und nicht bloß persönliche Befindlichkeiten, Profit und Bequemlichkeiten ins Treffen zu führen (sozusagen den "inneren Schweinehund" heraushängen zu lassen). Außerdem sollte das Wohl der Stadt und ihrer Bürger im Vordergrund stehen. Und zuletzt: Entscheiden muß der Gemeinderat, der dazu - in jedem Falle - viel Mut braucht. Brauchen würde. Auch nach der Wahl. Aber das Thema wird ohnehin bald wieder verschwinden - bis 2016. Wetten wir?


Kommentar vom: Donnerstag, 11. Februar 2010 21:30:29

Fussgängerzone? Für wen?

Lieber Herr Bürgermeister!
Bitte nicht.
Fussgängerzone in der Wörgler Bahnhofstrasse ist einfach ein NoGo. Schon allein der derzeitige Branchenmix ist dazu kaum geeignet.
Und nun kommt nich meine persönlilche Situation dazu. Mein Arzt ist in der Steinbacherstraße. Der Opitker meines Vertrauens ist in der Bahnhofstraße. Der Metzger Frank, bei dem ich gerne einkaufe ist in der Bahnhofstraße. Beruflich habe ich auch jede Menge in der Bahnhofstraße zu tun. Das könnte ich noch weiter ausführen ...
Nun, da könnte man ja ganz lapidar sagen: gehst halt zu Fuß.
Ich arbeite sehr viel und auch gerne. Und in meiner spärlichen Freizeit will ich ganz einfach mal relaxen, mit der Familie zusammen sein und tun, was mir Spass macht. Einfach gesagt, ich weiss mir was besseres, als durch die Bahnhofstraße zu flanieren.
Also versuche ich diese Sachen nebenbei zu erledigen. Mit temporären Fussgängerzonen zu gewissen Veranstaltungen gibt es überhaupt kein Problem. Aber wenn ich mal was schnell zu erledigen habe und dann nicht in die Nähe fahren kann, weil Fussgängerzone, dann lass ich es halt und schau mich wo anders um.

Ganz nebenbei möchte mich gar nicht über die meisten Fußgänger auslassen, die derzeit schon meinen, dass da eine Fußgängerzone ist. Speziell bei den Querstraßen ist man als Autofahrer schon oft gefordert, weil Leute ohne irgendwohin zu schaun die Straße überqueren.

Also meine Meinung dazu: Nein, auf gar keinen Fall, niemals, gar nie nicht ....



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