Ein Blog von Arno Abler
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Fehlt Österreich ein Europa-Konzept?

In einem Interview im heutigen Standard kritisiert der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP), dass man seit dem EU-Beitritt 1995 verabsäumt hätte, die Rolle Österreichs in Europa klar zu definieren, und sieht darin einen der Hauptgründe für die breite EU-Skepsis in unserem Land.

Damit hat er wohl Recht. Die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher, deren Zustimmung zum Beitritt damals durch massive Informations- und Überzeugungskampagnen erreicht worden ist, wurde anschließend sich selbst und damit populistischen Strömungen überlassen. Eine klare, verständliche und transparente Information über die europäischen Ziele und Schwerpunkte fehlt seither weitgehend.

Damit fehlte wohl auch der notwendige Diskurs zur Definition der österreichischen Rolle innerhalb des „Vereinigten Abendlandes“. Zwar wurde gelegentlich vom Brückenkopf nach Osten, der Drehscheibe zum Balkan oder dem neutralen Gegenpol zu einer europäischen Militärzone gesprochen, aber eine klare Ausrichtung oder ein gesamteuropäisches österreichisches Selbstverständnis gibt es bis heute nicht.

Dabei hätte Österreich zahlreiche hervorragende Kompetenzen, die es federführend in der Union einbringen könnte, wie zum Beispiel den alpinen Tourismus, die öffentliche Verwaltung samt eGovernment (hier sind wir seit Jahren Europameister), die im Föderalismus tatsächlich gelebte Subsidiarität, erneuerbare Energien oder auch die historische Wiener Kultur. Offensichtlich fehlt uns aber noch immer das nationale Selbstbewusstsein, das uns 1919 in Saint-Germain abhanden gekommen ist, das jetzt als konstruktive Kraft im Wettbewerb um Ideen und Konzepte mit den anderen Staaten Europas aber sehr hilfreich wäre. Dafür haben wir auf der anderen Seite ein Zuviel an nationalem Pathos, um nicht zu sagen nationaler Überheblichkeit, das uns immer wieder die Nichtkonformität Europas mit unseren post-donaumonarchistischen Werten vor Augen führen will. Dieses Problem teilen wir allerdings mit etlichen anderen Staaten.

Ein unverkrampftes Verhältnis Österreichs zur EU ist für eine gedeihliche Zukunft unumgänglich. Dafür braucht es aber einen Paradigmenwechsel im heimischen Denken vom bipolaren „Die dort in Europa und wir hier in Österreich“, wo ständig über Mängel und Defizite debattiert wird, hin zu einem integrativen Verständnis unseres gemeinsam zu gestaltenden Abendlandes, dessen auf historischen Gemeinsamkeiten aufbauende kulturelle Vielfalt eine einzigartige Chance für die Bewältigung der anstehenden globalen Herausforderungen ist. Heißt schlicht: Das Gemeinsame vor das Trennende stellen!

Die morgige Wahl wird an dem Problem wohl nicht viel ändern. Trotzdem dürfen wir sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Alle demokratisch gesinnten Kräfte, für die Europa nicht nur ein Büro in Brüssel ist, müssen ihr Wahlrecht wahrnehmen. Schließlich zählt bei niedriger Wahlbeteiligung die einzelne Stimme umso mehr.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Kommentare (1)

Kommentar vom: Montag, 08. Juni 2009 12:56:37

Was nützt's?

Die Wahlbeteiligung betrug in Wörgl 34,46 %, obwohl eine davor stattgefundene Umfrage in Vivomondo - wenn ich mich richtig erinnere - in etwa 54 % prognostiziert hatte.

Kein Wunder: Derzeit hat das EU-Parlament 736 Abgeordnete, und Österreich stellt davon 17. Das sind 2,3 %. Diese 2,3 % oder 17 Hanseln, die sich zum großen Teil aus ehemaligen Beamten und Ex-Mandataren sowie anderen ausgedieneten Polit-Pensionären zusammensetzten, sind untereinander uneins; nicht nur "interparteiisch", sondern auch parteiintern untereinander (man denke an die Streiterei hinsichtlich der Delegationsführung zwischen Strasser und Karas in der ÖVP und diverse Vorzugsstimmenkämpfe oder etwa die Voggenhuber-Lunacek-Geschichte). Also eine in Gesamteuropa nichts bewirken könnende Lachnummer, wenn man es realistisch betrachtet und allen Euphemismus beiseiteläßt.

Was sollen diese Leute für Österreich bewirken? Oder besser, was glauben Herr und Frau Österreicher, was diese paar Mandatare bewirken und verwirklichen können? Die EU ist hierzulande bei vielen immer noch ein Schreckgespenst, das uns diktiert, die eigenen bzw nationalen Entscheidungsinstanzen derogiert und ausschaltet, sich über die Köpfe hinwegsetzt (siehe die Verkehrs- und Transitproblematik), uns sehr viel Geld kostet (Stichwort "Nettozahler") und völlig unfähig ist, Probleme zu lösen - auch die derzeitige Wirtschaftskrise wurde in keinster Weise aufgehalten oder auch nur gemindert. Die Ostblock-Räuber- und Diebsbanden (sogar meine fast 80-jährige Mutter wurde von so einer Gang bestohlen), die völlig unzureichenden Verhältinisse in den neuesten EU-Ländern und vieles andere trägt ein weiteres dazu bei, die EU-Ablehnung zu verstärken, genauso wie der "Selbstbedienungsladen" für Funktionäre und Funktionärs-Pensionisten.

Wen wundert es da, daß in Wörgl ausgerechnet Hans Peter Martin rund 25 % geschafft hat und damit unangefochten an der Spitze gelandet ist? Die ÖVP hat nur etwas mehr als 21 % und die SPÖ nicht einmal 21 % erreicht, die FPÖ liegt bei immerhin fast 17 %. Die Aufdecker und Kritiker haben klar gewonnen, und die Beschöniger und Zudecker wurden abgestraft.

Ich bin und war immer GEGEN die EU (gegen DIESE EU!!), und ich habe auch bei der damaligen Volksabstimmung dagegen gestimmt. Aber ich wäre FÜR ein Vereintes Europa im Sinne von Aurel von Popovici, nämlich unter Berücksichtigung der Nationalitäten und Kulturkreise, der Eigenheiten und der Geschichte, des Glaubens und der Rassen, der Sprachen und der Mentalitäten, die nun mal nicht wegdiskutierbar sind.

Also, lieber Herr Bürgermeister, nichts für ungut, wenn ich Deine Meinung nicht uneingeschränkt teile.

Nichtsdestoweniger sollte man die Hoffnung auf eine bessere Zukunft auch in dieser Hinsicht niemals aufgeben, meint
Dein
Arthur


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