Dieser Aufruf der Landes-Gewerkschaftskommission aus dem Jahr 1913 steht am Beginn der Geschichte über die Brauerei in Wörgl. Auslöser dafür war, dass die sieben im Betrieb beschäftigten Arbeiter „bekanntermaßen die schlechtesten Löhne von sämtlichen Brauereien in Tirol und Vorarlberg“ erhielten. Besonders an den Pranger gestellt wurden in diesem Aufruf „Streikbrecher“ wie der Aktionär und Gastwirt von „Bruckhäusl“, Andreas Huber, der weiterhin sein Bier in Wörgl kaufte.
Zwei Jahre zuvor, am Sonntag, den 13. August 1911, feierte Wörgl mit einem großen Festumzug und zahlreichen anderen Veranstaltungen die Erhebung zur Marktgemeinde. Das von Kaiser Franz Joseph I. verliehene Marktrecht verbunden mit der Verleihung des Marktwappens war ein wesentlicher Faktor für die weitere Entwicklung unserer Gemeinde. Dass Wörgl bereits ein Jahr nach Vereinigung der Gemeinden Kufstein-Wörgl und Rattenberg-Wörgl das Marktrecht erhielt, war vor allem dem damaligen Bürgermeister Josef Steinbacher zu verdanken.
Steinbacher war ein sehr rühriger Bürgermeister, viele nicht wegzudenkende Errungenschaften fallen in seine Amtszeit, wie die Errichtung des E-Werkes und des Krankenhauses. Als Besitzer der Gasthöfe „Zur Alten Post“ und „Zur Rose“ war es ihm ein großes Anliegen, in Wörgl eine Brauerei anzusiedeln, und so gründete er im Jahre 1909 eine Genossenschaftsbrauerei. Anlässlich der Markterhebungsfeier konnte erstmals in Wörgl gebrautes Bier ausgeliefert werden.
Im Gegensatz zu umliegenden Gemeinden hatte Wörgl keine alte Braukultur. So bestand von 1658 bis 1945 in Kundl eine Brauerei. Nach Schließung des Werkes wurde in den leerstehenden Gebäuden Penicillin produziert und sind hier die Anfänge der Biochemie/Sandoz AG zu finden.
In Kufstein gab es um 1700 mindestens vier Brauereien; bis 1976 wurde am Oberen Stadtplatz von der Familie Egger Bier gebraut, bevor der Betrieb nach Niederösterreich übersiedelte und dort immer noch erfolgreich tätig ist.
In der kleinen Stadt Rattenberg wurde ab 1600 sogar in fünf Brauereien Bier gebraut. Die Schiffszüge der Innschifffahrt mit ihren Mannschaften sorgten für entsprechenden Umsatz.
Heute gibt es noch Gasthausbrauereien wie Bierol in Schwoich und das Brauhaus in Rattenberg.
Mit der Wörgler Brauerei ging es rasch aufwärts, die wirtschaftliche Notlage nach dem Ersten Weltkrieg ging jedoch auch hier nicht spurlos vorbei und führte dazu, dass der Betrieb im Jahre 1923 an die oberösterreichische Brauerei Zipf AG verkauft werden musste. Mit der vorgenommenen Modernisierung stieg der Umsatz Jahr für Jahr und es gelang, die Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre zu überwinden.
Der folgende Aufschwung fand sein Ende mit dem Zweiten Weltkrieg. Der völlige Mangel an Hopfen und Malz führte, wie bei vielen anderen Brauereien, im Jahr 1946 zu einer vorübergehenden Stilllegung des Betriebes.
Mit vereinten Kräften wurde auch diese Zeit überwunden und nach Behebung der Kriegsschäden wurde in den 1950er-Jahren eine Abfüllanlage für Flaschen mit einer Stundenleistung von 8.000 Stück neu gebaut und 1968 auf 14.000 erweitert.
In diesem Jahr lag der Wörgler Betrieb unter zehn Tiroler Brauereien an dritter Stelle! Die räumliche Beengtheit im Stadtzentrum, insbesondere aber die Konzentration auf einige wenige Betriebe führte dazu, dass die nunmehrige Besitzerin Brau-Union im Jahre 1977 den Betrieb in Wörgl schloss.
Die Brauerei war mit 49 Mitarbeitern (1967) ein wichtiger Arbeitgeber in der jungen Stadt.
Heute befindet sich an dieser Stelle das City-Center und das Veranstaltungszentrum Komma.
Quellen: Wörgler Rundschau 30.09.1968, Sonntagspost 19.08.1951
Kontakt: Stadtchronist Toni Scharnagl, chronist@stadt.woergl.at
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