Standort | 6311, Wildschönau |
Kirchen, Oberau 116 | |
Datum | . Dezember |
Kategorie | Religion |
URL | http://www.wildschoenau.gv.at |
Eine zeitgenössische Niederschrift über den Bau der Kirche in Auffach vor 200 Jahren
Im reichhaltigen Nachlass des leider viel zu früh verstorbenen Zimmermeisters, Heimatforschers und Kunstkenners Josef Klingler, vulgo Heindl Seppe, in Oberau (+ 1988) fanden sich auch Fotos einer historischen Aufzeichnung über den Bau des Gotteshauses in Auffach. Es gelang, die Vorlagen dieser kleinformatigen Aufnahmen ausfindig zu machen: Es handelt sich um vier Seiten am Anfang des ältesten Taufbuches der Kirche von Auffach. Wie aus dem Text selbst hervorgeht, stammen sie von der Hand des Peter Moser, der zwar nur wenige Jahre als Seelsorger in Auffach tätig war. Aber es ist vor allem seiner Tüchtigkeit zu verdanken, daß damals das Gotteshaus in diesem Ort gebaut worden ist. Moser, ein gebürtiger Alpbacher, wurde 1805 Pfarrer in Ebbs und starb als solcher im Jahre 1820. In der Folge wird der Wortlaut der Niederschrift buchstabengetreu abgedruckt, wobei zu bedenken ist, daß um 1800 die Regeln der deutschen Rechtschreibung noch nicht in der uns geläufigen Form fixiert waren. Die ursprüngliche Schreibweise hält zudem auch noch manche Eigenheiten der Aussprache und Wendungen fest, die heute nur noch im Dialekt üblich sind.
Geschichte des Kirchbau in der Hinterwildschönau 1800
Die Kirche in der Hinterwildschönau wurde erst anno 1800 erbauet, obschon dieser Bau seit unzählbahren Jahren vorher der Wunsch und das Bestreben dieser Gemeinde war. Als im Jahre 1750 in der Oberau die neue Kirche erbauet wurde, machten mehrere einsichtigere Nachbarn der Gemeinde die Vorstellung, man möchte die neue Oberauer Kirche ja nicht mehr an die Gränzen sondern in die Mitte des Thals, nämlich auf Förting sezen, damit die Innerthaler nicht mehr Ursach hätten, über die Weite des Kirchwegs zu klagen und auf eine eigene Kirche zu denken. Aber Herr Baldhasar Marberger, Wirth in der Oberau, fand nach seiner Rechnung die neue Oberauer Kirche auf der alten Gränze für einträglicher; er siegte mit seinem Ansuchen über alle Gegenvorstellungen, die Klagen der Innerthaler Bäuerl wurden abgewiesen. Endlich wurde vom Kayser Joseph dem Zweyten der Befehl ertheilt, an den von der Mutterkirche entlegenen Orten eine neue Kirche zu erbauen, wofern die Entfernung über eine Stunde ist, und seit dieser k.k. Verordnung erwachte unter der Gemeinde Hinterwildschönau der Wunsch und das Bestreben eine eigene Kirche zu bauen so gewaltig, daß die Gewerbsleute von der Oberau alle ihre Handlanger, selbst die Gerichtsobrigkeit zu Rattenberg mit allen ihren angewandten Mitteln und Kunstgriffen nur so viel erwirkten, daß dieser Kirchbau auf die theuersten Zeiten verschoben wurde. Der gnädigen Herr Franz Margreitter, Consistorial Rath zu Salzburg, von Alpach gebürtig, brachte es so weit, daß der Herr Johan Karrer, ehevor Cooperator zu Rattenberg, als erster Kaplan in Aufach anno 1797 auf dem Altensberger Büchl den Gottesdienst anfinng. Denn weil Georg Werlberger, damals Bauer im Holz, die neue Kirche auf seinen Grund nicht wollte sezen lassen, so wurde das Häusl auf dem Altensberger Büchl zu einem einstweiligen Herrnhaus erbauet und hinter dem Häusl von Laden ein Verschlag aufgesezt, worin der Gottesdienst 4 Jahre gehalten wurde. Im Jahre 1799 wurde obengemeldter Herr Karrer Pfarrer zu Erl und Peter Moser Kooperator zu Brixlegg sein Nachfolger. Dieser betrib nun den Kirchbau mit allem Nachdruck und brachte es auch unter sonderbarem Beystand des Himmels so weit, daß gleich im nächsten Jahre 1800, in einem einzigen Sommer die neue Kirche so mit dem Herrnhaus vom Grunde aus gebauet und unters Dach gebracht wurde. Er fieng den Bau an, ohne darzu einen vorräthigem Kreuzer Geld zu haben. Die Gemeinde versprach zwar anno 1794 gerichtlich 2240 fl. (= Gulden) als Beyträge zum Kirchbau zu geben. Von diesem Gelde aber wurde aus Mißtrauen bey Anfang des Gebäudes nichts erleget. Erst als das Gebäu im guten Fortgang war, erlegten einige Bauern ihre angelobten Beyträge - die meisten aber erst nach vollendeten Bau. Als nun der Kaplan als Baudirektor und Rechnungsführer weder die angelobten Beyträge weder ein Geld zu leihen von seiner Gemeinde erhalten konnte, so wandt er sich in seiner Verlassenheit an den Johan Kostenzer, Bauer beym Klingler im Thierbach, und dieser Auswärtige hatte die Großmuth, dem Kaplan 800 fl. vorzustreken ohngeachtet zween Bauern, die von der Gemeinde Aufach als deputirte Aufseher über den Kirchbau gestellt waren, ihm ins Gesicht sagten, daß sie ihm um keinen Kreuzer gutstehen, den er dem Kaplan zum Kirchbau vorstreken würde. So klein jedoch die Menschen Hilf war, so groß zeigte sich währen dem ganzen Bau die Hilfe Gottes. Es beschädigte sich kein Arbeiter; den ganzen Sommer hindurch wurden die Maurer keine Stunde lang vom Wetter in der Arbeit gehindert, denn es regnete diesen Sommer nie bey Tag sondern nur immer zur Nachtzeit. Die Steine zum Kirchbau liferte uns der nache Holzerbach so ordentlich, daß die Leute von Gemeinde an den Feyrtagen immer nur so viele Bausteine bey diesem Bach fanden, als die Maurer die nächst künftige Woche brauchten. Nach vollendeten Bau besucht ich diesen Bach öfter und beobachtete zu meiner nicht geringen Bewunderung, daß dieser Bach in 4 Jahren kaum so viele Bausteine hergeführt, als er zuvor währen den Bau in jeder Woch so ordentlich gelifert hatte. Bekanntlich war anno 1800 der Franzosen Krieg, die Gränzen von Tyrol wurden von allen Seiten mit Einfällen betrohet, alle waffenfähige Mannsbilder mussten als Schüzen, Milizioten oder Stürmer ausziehen und beynahe den ganzen Somer hindurch an den Landesgränzen auf der Wache stehen. Die ganze Feldarbeit kam also lediglich auf die Weibsbilder, doch aber verrichteten sie an Feyrtagen anstatt auszuruhen zway bis drey Stunden mit aller Willfährigkeit Kirchenarbeiten. Sie holten die Steine aus dem Holzerbach, sie trugen den Sand in Zummeln von der Lahn ober den Holzer Häusern für die kunftige Woche und verwunderten sich, daß sie bey dieser schweren Arbeit anstadt Müdigkeit nur Lust und Freude fühlten. Unter diesem so augenscheinlichen Beystand des Himmels wurde also in einem einzigen Sommer 1800 das ganze Gebäu unter Dach gebracht, und auch am 16. November dieses Jahres auf Befehl des Hochwürdigen Konsistoriums vom Herrn Andreas Lechner, derzeit Vikar in der Oberau, eingesegnet. Anno 1801 wurde der Kirchthurm erbauet, das Kirchgewölb hergestellt, und die ganze Kirch innwendig herabgebuzt. Das ganze Gebäu kam auf 9.000 fl., worzu der Religionsfond 2.000 fl., die Gemeinde aber im Geld bey 1.200 fl. beytrug, denn eben diese Gemeinde verdiente sich mit den Werktagschichten und zerschidenem Holzliferungen über 1.000 fl., welches sie von ihren angelobten Beyträgen wieder abzogen. Alles übrige Geld floß von privat Gutthätern und von oben herab, denn ich wußte als Zahlmeister manchmal selbst nicht, woher das Geld komme. Maurermeister hatten wir keinen, nur ein alter Maurergesell von Hering, Georg Aufinger, leitete das ganze Werk nach einem Riß, der uns von der Baukomission zu Innsbruck zugeschikt wurde. Der Hochaltar und Tabernakl wurde vom Herrn Anton Bichler, Bildhauer zu Kirchbichl, verfertiget und kostete etwas über 200 fl., das Altarblat des hl. Johann von Nepomuk von Herrn Streicher, Hofmaler zu Salzburg, kam auf 45 fl. Die dermal größte Gloke wiegt gegen 8 Zentner und kam samt Zugehör auf 800 fl. Die zway kleineren Glökln sind von aufgehebten und geschlossenen Kapellen, und wurden uns vom Religionsfond zugetheilt. Die Thurmuhr von Andre Wallfahrter, Uhrenmacher zu Rattenberg, kam samt der Zeigerführung auf 200 fl. Die Orgl wurde von Bartlme Unterberger, derzeit Meßner und Schullehr alhier, um 300 fl. verfertiget. Das Speisgater kostete 15 fl., die zween Seitenaltar wurden vom Hochwürdigen Herrn Joseph Schoner, Pfarrer und Prodekan zu Reith, hergeschenkt. Der Weizen kostete zur Bauzeit 5 fl., das Pfund Butter 24 Kreuzer, die Maurer hatten des Tags 40 Kreuzer, die Taglöhner 34 Kreuzer. Im Jahre 1805 ist durch Consistorialdecret vom 16ten August der Gubernial-Erlaß vom 10ten Juli eröffnet worden, daß 1) Hinterwildschönau von der Oberau unabhängig sey und ein eigener Freythof errichtet werden dürfe gegen eine jährliche Abgabe von 10 fl. an die Kirche zu Oberau, daß 2) Die Uebereinkunft zwischen Herrn Vikar Lechner und gewesten hiesigen Localkaplan Moser, nunmehrigen Prodekan zu Ebbs, genehmiget sey, daß nämlich dem ersten für das Sammelkorn und Stollgebühren etc. zu Hinterwildschönau ad dies vitae (= zeit seines Lebens) jährlich 50 fl. Wiener Währung, von letzteren bezahlt werden sollen. Nota bene: Der Freythof wurde eingeweiht den 20ten Octobris 1803 von Hochwürdigen Andreas Lechner, Vikar in der Oberau Nota bene: Eine Kornsammlung, die hier ehevor der Vikar von der Oberau hatte, beträgt 5 ½ Staar hiesigen Maßes.
Der in dieser Aufzeichnung angesprochene geschichtliche Hintergrund ist bekannt: Der größere Bereich der Wildschönau (Oberau, Auffach und Teile von Thierbach) bildeten bis in das ausgehende 18. Jahrhundert einen einzigen Seelsorgeverband mit der Kirche in Oberau, an der ein Vikar wirkte. Kaiser Joseph II. (1780–1790) traf dann eine Reihe von Maßnahmen im Sinne der damaligen Geisteshaltung, der Aufklärung, die auch in religiöser Hinsicht zum Wohle der Untertanen gedacht waren. Unter anderem veranlasste Joseph die Aufhebung von Klöstern, deren Insassen weder in der Seelsorge noch in der Krankenpflege noch in der Schule Leistungen erbrachten. Ein guter Teil des Vermögens dieser Anstalten floss dann in eine zentrale staatliche Kasse, den so genannten Religionsfonds, aus dem auch die Errichtung neuer Gotteshäuser mitfinanziert werden sollten. Ebenso fanden Teile der Ausstattung von damals geschlossenen Kirchen und Kapellen, wie Altäre, Bilder, Statuen, Glocken usw. in den Neubauten eine sinnvolle Wiederverwendung. Derartige Neubauten hielt man vor allem dort für notwendig, wo die Entfernung zum Besuch der Kirchen über eine Stunde betrug. Von dieser im heutigen Sinne durchaus vernünftigen Auffassung des Herrschers profitierten auch die Wildschönau. Die heutigen Pfarrkirchen in Auffach und Thierbach verdanken maßgeblich dieser Politik Kaiser Josephs II. ihre Entstehung. Einige Worterklärungen: Hinterwildschönau, Innerthal, Aufach: Die Bezeichnung der einzelnen Teile unseres Hochtales war lange Zeit nicht fixiert. Es existierten einst nebeneinander Untere oder Niedere Wildschönau (= Niederau), Obere Wildschönau (= Oberau) und Hintere Wildschönau (= Auffach). Bis vor kurzem verwendete man für den innersten Teil des Tales in der Umgangssprache fast ausschließlich die Bezeichnung Innerthal. Erst in jüngster Zeit setzt sich als offizielle Form Auffach allgemein durch. Gemeinde Hinterwildschönau : Unter Gemeinde versteht Peter Moser die Mitglieder des Seelsorgesprengels Auffach. Die politische Gemeinde Wildschönau gab um 1800 noch nicht. Kaplan : Zunächst wurde in Auffach nur eine Kaplanei eingerichtet. In Oberau bestand ein Vikariat, und erst seit 1891 wurden die Seelsorgestationen Oberau, Auffach, Thierbach und Niederau zu eigenen Pfarreien erhoben. Herrnhaus : Damit ist die Unterkunft des (geistlichen) Herrn (= Kaplans) gemeint. von Laden ein Verschlag : ein aus Holzbrettern (= Laden) gebildete provisorischer Raum für den Gottesdienst. fl. = Abkürzung für Gulden (= florenus). Ein Gulden hatte 60 Kreuzer. Franzosen Krieg 1800 : In diesem Jahr rückten die Franzosen in Süddeutschland gegen die Österreicher vor, die in Bayern eine Niederlage hinnehmen mussten. Tirol wurde damals zwar nicht direkt Kriegsschauplatz, doch die Grenzen des Landes waren besonders im Norden gegen Bayern hin bedroht, weshalb die wehrfähigen Männer zur Verteidigung aufgeboten wurden. Schüzen, Milizioten, Stürmer : Mit diesen Bezeichnungen sind die verschiedenen, damals bestehenden militärischen Aufgebote in Tirol gemeint: im Rahmen der Schützenkompanien, der Landmiliz und des Landsturmes. Zummeln : ein zumeist hölzernes, auf dem Rücken getragenes Gefäß. Religionsfond : von Kaiser Joseph II. eingerichtete Kasse, deren Mitteln der Verbesserung der Seelsorge dienen sollten. Der Religionsfonds war aus dem Vermögen aufgehobener Klöster errichtet worden. Baukommission in Innsbruck : Der Riß (= Plan) für die Kirche kam also nicht von der kirchlichen Obrigkeit (Konsistorium) in Salzburg sondern – ganz im Sinne der Aufklärung – von der weltlichen Behörde (Gubernium) in Innsbruck. Speisgater = Speisgitter = Abschrankung des Altarraumes, an dem die Gläubigen bis zum 2. Vatikanischen Konzil die Kommunion empfingen. Pfund = damals ca. 0,56 Kilo. Im Jahre 1800 erhielt also ein Maurer einen Tageslohn, der annähernd dem Preis von etwa einem Kilo Butter entsprach, ein Hilfsarbeiter arbeitete für gut 80 dag Butter pro Tag. Leider ist beim Preis für Weizen keine Maßangabe vorhanden, so daß hier ein Vergleich nicht ohne weiteres möglich ist. Wahrscheinlich entspricht aber der Preis von 5 Gulden einem Star (= ca. 30 Liter) Weizen. Das würde heißen, daß sich ein Maurer für einen Taglohn 4 Liter und ein Taglöhner 3,4 Liter Weizen kaufen konnte. Generell muss man festhalten, daß die Arbeiter beim Kirchenbau wie auch in den bäuerlichen Betrieben damals nahezu nur für die Kost tätig waren. Dieser Umstand erklärt neben der unzweifelhaft sehr stark ausgeprägten Opferbereitschaft der Bevölkerung die Tatsache, daß man so rasch so große Bauten errichten konnte. Sammelkorn : Die Geistlichkeit verfügte in früheren Zeiten kaum über ein regelmäßiges Einkommen an Geld. Sie waren auf das Sammeln von Naturalien in ihrem Sprengel angewiesen. Dazu traten ergänzend die Stol(l)gebühren , das sind Zahlungen, die für die Spendung von Sakramenten und ähnlichen Funktionen, bei denen der Geistliche eine Stola trug (z.B. Taufe, Hochzeit, Versehgang, Begräbnis u.ä.) fällig waren. Sta(a)r : ein altes Hohlmaß, ca. 30 Liter.
Univ.Prof.Dr. Josef Riedmann
Du kannst den Lageplan jederzeit einblenden bzw. ausblenden.
ACHTUNG:
Die Anzeige des Lageplans verlangsamt die Ladezeiten auf vivomondo.com.
Wir empfehlen, den Lageplan nur bei einer schnellen Internetverbindung (ADSL oder höher) zu öffnen.