Bundesheer besetzt den Bahnhof Wörgl

Beschreibung

Aufgrund des österreichweiten Verkehrsstreiks der Sozialdemokraten besetzte das Bundesheer zwischen 18. und 20. Juli den Bahnhof Wörgl, um den Bahnverkehr aufrecht zu erhalten. Der Streik war ein Ausfluss der verhärteten Fronten zwischen dem bürgerlichen Lager mit der paramilitärischen Heimwehr und der Sozialdemokratie mit dem ebenfalls bewaffneten Schutzbund nach den tödlichen Schüssen in der burgenländischen Gemeinde Schattendorf Anfang 1927,

Erstmals wurden in diesen Tagen Tiroler Soldaten im Auftrag der bürgerlichen Landesregierung gegen oppositionelle Kräfte eingesetzt. Der massive Aufmarsch in den Tiroler Bahnhöfen Innsbruck, Wörgl, Jenbach und Lienz beendete den Verkehrsstreik der roten Gewerkschafter sehr schnell.

Am Sonntagnachmittag war der Kommandant des Tiroler Radfahrbataillons, Hilarius Wolf, im Landhaus beauftragt worden, den Bahnhof Wörgl zu sichern. Die einfachen Soldaten wurden über den Einsatz jedoch im Unklaren gelassen, weil man sich ihrer Loyalität 1927 noch nicht sicher war. Um 19:00 Uhr am Sonntag verließen sie die Kaserne in Hall in Richtung Wörgl, wobei die 1. Kompanie und die MG-Kompanie das Rad benutzten, die 2. und die 3. Kompanie jedoch Lastkraftagen der Landesregierung. Von Rattenberg aus setzte man den Weg in Gefechtsformation fort. Gerüchteweise hatten sich 160 schwer bewaffnete Schutzbündler am Wörgler Bahnhof verschanzt, in Wahrheit waren es jedoch nur 40, die außerdem unbewaffnet waren. Als die Soldaten um 3 Uhr früh am Bahnhofsgelände in Wörgl eintrafen, versprengten sich die Widerständler daher rasch. Zu einem Scharmützel kam es daher nicht.

Allerdings verließen die Bahnbediensteten bis auf ein paar Streikbrecher den Bahnhof, der nun einem Heerlager glich, mit der Begründung, unter militärischer Aufsicht nicht arbeiten zu können. Um 8:00 Uhr konnte Kommandant Wolf nach Innsbruck melden, dass die Bahnlinie zwischen Radfeld und Langkampfen gesichert sei. Kurz danach traf der erste Frühzug aus Kufstein in Wörgl ein, dessen Abfahrt die Heimwehr, die damals noch nicht mit dem Bundesheer koordiniert war sondern unabhängig davon agierte, nach der nächtlichen Besetzung des Kufsteiner Bahnhofs erzwungen hatte. Der Zug beförderte vor allem reichsdeutsche Sommerfrischler, die sich über die enorme Militärpräsenz wunderten.

Nachdem am Montag bereits vier Züge in jede Richtung den Bahnhof Wörgl passiert hatten, sank das Engagement der Streikenden drastisch. Am Dienstag fand der Bahnbetrieb fast wieder ganz normal statt, sodass die Besetzung des Bahnhofs am 19. Juli um 11:00 Uhr beendet wurde und sich die Soldaten in den Ort zurückzogen. Am Mittwoch, den 20. Juli verließ das Radfahrbataillon Wörgl wieder und die militärische Besatzung wie auch der Verkehrsstreik waren beendet.