Das Heilige Grab von Wörgl

Beschreibung

Österliche Auferstehung

Meine Mutter, die Mundartdichterin Anna Hausberger, erzählte mir, dass die Auferstehungsfeier in der Wörgler Pfarrkirche einen Höhepunkt nach der veranstaltungslosen Fastenzeit darstellte. Das „Heilige Grab“ war weit im Umkreis bekannt. Es füllte den ganzen Hauptaltarraum und noch ein paar der ersten Bankreihen aus. Rotsamtene Vorhänge mit Goldfransen haben die seitliche Begrenzung und den Hintergrund gebildet. In der Mitte hat man liebevoll ein Blumenbeet mit Hyazinthen gestaltet. Dahinter befand sich die Grabgruft, bewacht von einem eisernen Wächter, der ob seiner Größe fast wie ein Echter aussah. Der Boden ringsherum war mit Zedernzweigen bedeckt, die einen österlichen Duft verbreiteten. Links und rechts der Grabanlage standen Palmen mit bunten Kugeln und haben dem Ganzen ein orientalisches Flair verliehen. Den tirolischen Kontrast haben Schneerosen gebildet, die außen herum gesteckt waren. Es war einfach schön anzusehen, dieses Grab, schwärmen noch heute ältere Wörgler Bürger.

Die Auferstehungsfeier fand am Karsamstag um sechs Uhr abends statt. Aber schon ab drei Uhr strömten die ersten Kinder in die Kirche, um einen guten Platz vor der Krippe zu ergattern und um das Schauspiel möglichst hautnah mitzuerleben. Dem einen oder anderen Kind, so berichtete schmunzelnd meine Mutter, soll es manchmal doch etwas zu lang geworden sein. Der gute Platz konnte aber deshalb nicht aufgegeben werden und so blieb dann oft nichts anderes übrig, als still und leise das eine oder andere „Tröpfchen“ rinnen zu lassen. Schließlich aber war es soweit. Die Kirche war inzwischen zum bersten voll. Der hochwürdige Herr Pfarrer, seine Kooperatoren und die Ministranten kamen mit wohl duftendem Weihrauch aus der Sakristei und die Feier begann mit etlichen Litaneien und Fürbitten.

Doch dann – endlich – hat der Pfarrer das „Der Hailand ist erstanden“ und das „Alleluja“ angestimmt. Der Messner und sein Assistent hatten inzwischen längst ihre Position hinter der Krippe eingenommen. Die Beiden waren sicher voller Anspannung. Vor der Krippe saßen die Kinder mit vor Aufregung geröteten Wangen. Jetzt und jetzt musste es passieren. Und dann geschah es: Ein Knall, Rauch stieg auf, der Wächter vor dem Grab fiel um und der Leichnam verschwand aus dem Grab und aus der Rauchwolke stieg Christus hinten empor. Ein großartiges Ereignis, das man sich einfach als Kind nicht entgegen lassen konnte, meinte lächelnd meine Mutter. Nur, fügte sie hinzu, mit der Gleichzeitigkeit und mit der Mechanik hat es nicht immer funktioniert!

Hans Hausberger