Standort | 6300, Wörgl |
Bahnhofplatz 1 | |
Kategorie | Verkehr |
Am 24. November 1858 wurde – als erste Eisenbahnstrecke Tirols – die Bahnlinie Kufstein – Wörgl – Innsbruck eröffnet, nachdem Kaiser Franz Joseph I. deren Bau in zwei Etappen – zuerst von Wörgl nach Innsbruck, und ein Jahr später von Wörgl nach Kufstein – angeordnet hatte. Die Stadt Wörgl und das Land Tirol feierten bekanntlich im Jahr 2008 dieses Jubiläum; dazu wurden sowohl eine Festschrift als auch drei Bücher herausgegeben, wo die näheren Umstände des Bahnbaus rund um Wörgl beschrieben und reich bebildert sein werden. Restexemplare der Festschrift liegen noch im Stadtamt und am Hauptbahnhof Wörgl sowie beim Verkehrsarchiv Tirol auf.
An dieser Stelle sei ein Seitenblick auf einen Teil der Geschichte dieser bereits damals so bedeutenden Eisenbahnstrecke und auch auf den ersten westösterreichischen Eisenbahnknotenpunkt Wörgl geworfen.
Unsere Monarchen waren – wie alle Staatsoberhäupter – gezwungen, die einzelnen Teile ihres Reiches mehr oder weniger regelmäßig zu bereisen. Immerhin war Österreich damals eines der größten und bedeutendsten Staatsgebilde der Welt; man kann Österreich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Bahnhofes Wörgl getrost als Weltmacht bezeichnen: fast 40 Millionen Einwohner, knapp 700.000 km² Staatsgebiet, nach Rußland und dem Deutschen Reich das drittgrößte Land Europas, und entsprechend wichtig war auch seine Stellung im Weltgefüge. So hatte Österreich etwa den Vorsitz im Deutschen Bund inne, und obendrein besaß es eine schlagkräftige Armee und eine Kriegsmarine, die zu den stärksten und besten der Welt zählte, wie uns Admiral Wilhelm von Tegetthoff in der Seeschlacht zu Lissa bewies, als er eine fast doppelt so große italienische Flotte glorreich besiegte. Das Flaggschiff der k.u.k. Kriegsmarine ab 1911, S.M.S. „Viribus Unitis“, war das damals stärkste und modernste Schlachtschiff der Welt; das erste mit Dampfturbinen und vier Geschütztürmen mit insgesamt 12 Geschützen vom Kaliber 30,5 cm, was ihm eine Schußreichweite von über 25 km ermöglichte.
Bis zur Entstehung der Eisenbahn waren diese Kaiserreisen natürlich nur zu Pferd und mit Kutschen oder Schiffen möglich. Nachdem Wörgl so situiert ist, daß man kaum daran vorbeikommt, wenn man innerhalb Österreichs am Landweg von Osten nach Westen oder umgekehrt, aber auch von Deutschland nach Italien und zurück, reist, kam es sehr oft vor, daß eine der Majestäten seinen Weg über unsere Stadt nahm. Wie den historischen Quellen zu entnehmen ist, kamen mehrere gekrönte Häupter hier durch: so zB 1815 die Gemahlin des russische Zaren Alexander I., Luise (vormals Prinzessin von Baden), 1816 der Kronprinz von Bayern und auch der österreichische Kaiser Franz I., der samt seiner Gemahlin in Wörgl sogar Station machte. Von Kaiser Franz, der mehrmals nach Wörgl kam und 1822 einmal über Nacht blieb, ist zu berichten, daß unter seiner Regentschaft die erste Eisenbahn Österreichs, die Pferdeeisenbahn von Linz nach Budweis, eröffnet wurde; sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I., eröffnete 1837 dann die erste Lokomotiveisenbahn Österreichs von Floridsdorf nach Deutsch Wagram; übrigens war auch Kaiser Ferdinand 1848 und 1866 in Wörgl. Zar Alexander kam 1822 ebenfalls zweimal nach Wörgl und nächtigte in Söll. Neben vielen anderen, wie Staatskanzler Fürst Metternich, dem König von Neapel nebst Gemahlin oder dem Vizekönig von Italien, war auch Erzherzog Franz Karl, zweiter Sohn von Kaiser Franz und Vater von Kaiser Franz Joseph, wiederholt in unserer Stadt. Alle diese Reisen fanden noch ohne Eisenbahn statt, weil es sie eben erst ab 1858 gab.
Spätestens ab 1860, wo die durchgehende Eisenbahnverbindung nach Wien über Rosenheim, und noch mehr ab 1875, seit die „Kaiserin Elisabeth-Bahn“, die von Wörgl über Zell am See und Bischofshofen nach Salzburg einerseits und Selzthal andererseits in die Reichshaupt- und -residenzstadt führt, fertiggestellt war, wurde die Eisenbahn auch für die Spitzen des Staates zum Hauptverkehrsmittel. Und so dürfte der erste Monarch, der Wörgl per Eisenbahn bereiste, Kaiser Franz Joseph höchstselbst gewesen sein, der kurz nach der Eröffnung der Strecke mit seiner Gemahlin, Kaiserin Elisabeth, in Wörgl war und sogar Einkehr hielt sowie die damalige Wörgler Dorfkirche besuchte. Es dürfte sich damals aber um einen „inoffiziellen“ Besuch gehandelt haben; vermutlich wurden weder der damals junge Franz Joseph noch Sisi, die inkognito gewesen sein werden, erkannt - außer eben vom damaligen Dorfpfarrer, der vermutlich einen strengen Stillschweigebefehl von Seiner und auch von Ihrer Majestät erhalten hatte.
Von den weiteren wichtigen offiziellen Eisenbahnreisen des Kaisers sind folgende noch bekannt:
5.8.1878, als er von Gastein über Wörgl nach München fuhr; in Wörgl fand ein festlicher Empfang statt. Kurz zuvor war der deutsche Kaiser Wilhelm II. ebenfalls von Gastein über Wörgl nach Berlin gereist;
24.9.1878, als er nach Sterzing zum Manöver fuhr;
19.9.1884, als er zu Manövern in Stams und Mieming und anschließend zur feierlichen Eröffnung der Arlbergbahn reiste;
7.8.1885, als er – wieder von Bad Gastein kommend – durch Wörgl kam;
23.4.1888, als er nach Innsbruck fuhr, um Königin Victoria von England zu empfangen. Die Königin reiste anschließend per Bahn von Innsbruck über Wörgl nach Berlin;
14.11.1889, als die beiden Kaiser Franz Joseph und Wilhelm mit dem Hofzug nach Innsbruck fuhren;
28.9.1893, als Kaiser Franz Joseph mit großem Hofstaat zur Enthüllung des Andreas Hofer-Denkmals samt Landeshauptschießen, Viehausstellung und großem Schützenumzug nach Innsbruck reiste.
Einen Trauertag stellte der 24.11.1898, zufällig der 40. Geburtstag der Eisenbahnstrecke, dar, als der Hofleichenzug, der den Leichnam Ihrer Majestät, der in Genf ermordeten Kaiserin Elisabeth, über „ihre“ Kaiserin Elisabeth-Bahn nach Wien brachte, in Wörgl hielt, wo eine ungeheure Menge von Menschen und alle Honoratioren der näheren und ferneren Umgebung zu einer Trauerfeier zusammengekommen waren.
Am 27.8.1905 fuhr Kaiser Franz Joseph zum Manöver nach Nonsberg in Südtirol, und am 30.8. wieder zurück.
Der letzte offizielle Besuch eines österreichischen Kaisers aber fand am 28. August 1909, zehn Tage nach seinem 69. Geburtstag, statt, als Seine Majestät Kaiser Franz Joseph I. mit seinem Hofzug im Bahnhof Wörgl Station machte, wo ein großer Festakt anläßlich der Jahrhundertfeier des Tiroler Volksaufstandes 1809 unter Andreas Hofer stattfand. Denn auch bei Wörgl hatte es eine Schlacht gegeben; die einzige in Tirol, bei der sich am 13. Mai 1809 hauptsächlich österreichische Militärverbände (neben Tiroler Schützen, welche die Flanken decken sollten) den Bayern, Sachsen und Franzosen entgegenstellten – und dabei verloren, weil sie zahlenmäßig weit in der Minderheit waren, was dazu führte, daß der Feind im Unterinntal vom Zillerfluß aufwärts brandschatzend gen Innsbruck zog; erst Andreas Hofer machte dem durch seinen Sieg am Berg Isel ein (vorübergehendes) Ende. Beim Festakt waren neben dem Wörgler Bürgermeister Josef Steinbacher und dem Kufsteiner Bürgermeister Josef Egger alle Bürgermeister des Bezirks, der Bezirkshauptmann Karl Bruder und alle Persönlichkeiten der politischen, administrativen und kirchlichen Welt des Bezirks vertreten. Der Bahnhof war festlich geschmückt, die Empfangshalle war durch Blumen, Sträucher aller Art und sogar Lorbeerbäume in einen Wintergarten verwandelt worden, und große Blumenrabatten bildeten auf dunklem Grün die Jahreszahlen „1809“ und „1909“. Anläßlich dieser Huldigung und zu Ehren des greisen Monarchen wurde dann beschlossen, dem damaligen Krankenhaus Wörgl den Namen „Kaiserjubiläums-Krankenhaus“ zu verleihen. Der Kaiser seinerseits erinnerte sich kurze Zeit später der Gemeinde Wörgl, indem er durch Allerhöchste Kaiserliche Entschließung vom 28. März 1911 das Dorf Wörgl zur Marktgemeinde erhob.
Kaiser Franz Joseph, dem, wie er selbst anläßlich des Todes seiner Gemahlin bemerkt hatte, „nichts erspart geblieben war“, starb nach 68 Regierungsjahren, was ihn zum längstdienenden Kaiser aller Zeiten erhob, am 21. November 1916 in Schönbrunn, wo er auch über 86 Jahre zuvor geboren worden war. Damit war de facto das Ende der k.u.k. Donaumonarchie besiegelt.
Was aber weitgehend unbekannt ist: auch Kaiser Karl I., sein Nachfolger für wenige Jahre, fuhr mehrmals per Bahn durch Wörgl, wenn auch inoffiziell; schließlich fand gerade der I. Weltkrieg statt. Anläßlich einer seiner Reisen nach Südtirol ließ er seinen Zug in Wörgl anhalten und bat alle wichtigen Politiker und Beamten zu sich in den Hofsalonwagen, um sie zu empfangen und ihnen Anweisungen zu geben – ein weiteres Zeichen für die Bedeutung der Gemeinde und des Eisenbahnknotenpunktes Wörgl.
Und heute? Ja – heute. Der Salonwagenzug der Republik Österreich, der zuletzt von den Bundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim regelmäßig und Dr. Thomas Klestil sporadisch benützt worden war, wurde 1996 offiziell aufgelöst und ist nur noch in Teilen erhalten; diese können bei der ÖBB-Geschäftseinheit „Erlebnisbahn“ für Sonderfahrten gemietet werden. Einzelne Wagen davon konnten beim großen Eisenbahnfest in Wörgl von 22. bis 24. August 2008 besichtigt werden. Wenn heutzutage ein Mitglied der hohen Politik verreist, dann benutzt es in der Regel das Auto; sollte es sich in einen Zug verirren, dann scheinbar nur zu Zwecken á la „the show must go on“. Gott sei Dank macht Bundespräsident Dr. Heinz Fischer da eine große Ausnahme: er benützt in planmäßigen Zügen als „normaler“ Reisender die ÖBB. Möge sein Beispiel wieder Schule machen!
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