Brief der Bürgermeisterin an die Wörgler Bevölkerung III

Sehr geehrte Damen und Herren,

Woche Vier im Ausnahmezustand! Wetter: Frühlingshaft! Lage: Frühlings- Haft verlängert bis 30.04. – für uns Tiroler allerdings seit kurzem mit Freigang unter bestimmten Bedingungen!

Wissen Sie was „systemrelevantes Humankapital“ ist? Zunächst einmal ein grauslicher Begriff! „Humankapital“ ist eine herabwürdigende Bezeichnung für Mitarbeiter einer Firma und deren Leistung. Als „systemrelevant“ gelten mittlerweile alle jene Menschen, die uns das Leben in auferlegter oder selbst gewählter Isolation erträglich gestalten: Mitarbeiter(innen) in den Supermärkten, Reinigungspersonal, Postzusteller(innen), Müllentsorger und ganz besonders alle Pflegekräfte. Andere wären gern systemrelevant, dürfen es aber im Augenblick nicht sein: Gastwirte, Friseur(innen), Masseur(innen), Kosmetiker(innen). Sie alle sind und waren i m m e r für uns da, unsere Achtung und unseren Respekt verdienen sie i m m e r, nicht nur in den letzten Wochen. Mit Applaus und „Dankeschön“, so wichtig beides ist, wird es wohl nicht getan sein! Führt ein Manager einen Konzern aus der Krise, so hat er mit handfesten Boni zu rechnen. Zwar spricht man von Zuwendungen, sogar steuerfrei, sogar von moderater Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich (Pflegekräfte), aber es steht zu befürchten, dass viele dieser Systemrelevanten sich auch mit Gratifikationen wohl keinen Urlaub in jenen Tourismusorten werden leisten können, die uns so erfolgreich mit dem Corona- Virus bedacht haben, sodass es sich richtig fett in Tirol festsetzen konnte. Ich sage Ihnen allen „danke“, die Sie sich jahrein, jahraus um das Funktionieren des Alltags und unsere Bequemlichkeit bemühen, nicht nur in den vergangenen Wochen.

Die – nach eigenen Angaben – größte Tageszeitung Österreichs entblödete sich nicht, uns am 07.04. auf ihrem Titelblatt Folgendes zuzumuten: „Durchhalten! Wir werden b e - l o h n t! Der Chefredakteur verstieg sich sogar zu einem höchst schrägen Vergleich. Osterbrot und Maske, wie Zuckerbrot und Peitsche.
Mir erschließt sich nicht, warum wir jetzt belohnt werden müssen, denn zwangsläufig ist dann der Schluss zu ziehen, in den Wochen vorher mussten wir bestraft werden – mit Ausgehverbot, Versammlungsverbot, Erwerbsverbot! Was müssen wir verbrochen haben, dass uns die wichtigsten Bürgerrechte aberkannt wurden!
Die einschränkenden Maßnahmen der letzten und kommenden Wochen sind der Notwendigkeit geschuldet, ein Virus zu bekämpfen, das sich frech und aufdringlich bei uns eingenistet hat, und dem ziemlich schwer beizukommen ist. Die Maßnahmen sind sinnvoll, die sinkenden Ansteckungszahlen zeigen es. Allerdings müssen die Anordnungen nun behutsam zurückgefahren werden, um Wirtschaft und Gesellschaft nicht völlig zu zerrütten.

In dem Maß jedoch, in dem die staatlich verordneten Zwänge gelockert werden, braucht es von jeder und jedem von uns Behutsamkeit, Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin. Ja, ich will wieder hinaus! Ja, ich will mit Freunden im Biergarten ein Glaserl trinken und ja, ich will auch wieder zum Friseur! Die gefährlichste Zeit steht uns jetzt bevor! Das Virus i s t da, wir werden lernen, mit ihm zu leben, aber es wird unseren Alltag n i c h t bestimmen, wenn wir uns (und damit auch andere) schützen. Bitte, stürmen Sie nicht am Dienstag nach Ostern in Massen die Geschäfte! Bitte, halten Sie Abstand – am besten etwa zwei Meter! Bitte, tragen Sie die Schutzmaske – alle! Sie ist keine Strafe – sie bietet ein Stück Sicherheit, auch wenn sie nicht vor Ansteckung schützt. Bitte, seien Sie aufmerksam und rücksichtsvoll!

Am Samstag nach Ostern wird auch wieder der Bauernmarkt stattfinden, wir alle brauchen frisches Gemüse, und unsere schmackhaften regionalen Produkte.

Bleiben Sie gesund und genießen Sie ein friedvolles, gemütliches Osterfest!

Ihre Bürgermeisterin

Hedi Wechner