Ein Blog von Arno Abler
panorAAma

Gestern, am 13. Mai 2009, trafen wir uns mit den Werte- und Traditionsvereinen von Wörgl vor dem Wörgler Rearer, dem einfühlsamen Denkmal für die verlorene Schlacht bei Wörgl vor 200 Jahren, um uns an die damalige schwere Zeit zu erinnern und einen Kranz niederzulegen.

Wir, das sind eine Handvoll Gemeinderäte, ein paar Ehrengäste und eine kleine Schar interessierter Wörglerinnen und Wörgler. Damals starben rund 1000 Menschen im Kampf um unsere Heimat, das halbe Dorf wurde niedergebrannt, Straßen wurden später stolz nach den Freiheitskämpfern aus unseren Reihen benannt und das berühmte Denkmal vom Imster Bildhauer Christian Plattner unter Anwesenheit des Erzherzogs Eugen von Habsburg zur 100-Jahr-Feier 1909 feierlich enthüllt.

Ich frage mich, warum man heute keinen Anteil mehr nimmt, an bedeutenden historischen Ereignissen, welche unser Lebensumfeld massiv geprägt haben. Warum interessiert sich heutzutage kaum jemand für die Geschichte der Heimat? Der 13. Mai 1809 war eines der einschneidendsten lokalen Ereignisse überhaupt? In der 12.500-Einwohner-Stadt Wörgl stehen 50 Passanten hinter den feierlich aufmarschierten Schützen, Kameraden, Veteranen, Musikanten, Sängern, Feuerwehrmännern und Jungbauern. Im kleinen Dorf Wörgl 1909 waren es Hunderte, die bewegt der früher Gefallenen gedachten.

Ist unsere Zeit oberflächlich geworden? Gibt es zu viel von allem, sodass nichts mehr wirklich wichtig ist? Oder hat man in der schnelllebigen Stadt Wörgl einfach keinen Bezug zu den historischen Wurzeln?

Ein heute sehr nachdenklicher Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Tags:
1809 , geschichte , werte , wertejahr

Im Jahr 2009 wird in Tirol unter anderem der Tiroler Freiheitskämpfe von 1809 gedacht, deren Hauptproponent, der Sandwirt Andreas Hofer aus dem Passeiertal, dabei allenthalben im Mittelpunkt steht.

Andreas Hofer wird vor allem seit den letzten hundert Jahren als verklärter Nationalheld Tirols gesehen und jahrzehntelang war es undenkbar, seine Rolle als aufopfernder Vater der Tiroler Freiheit historisch zu hinterfragen. Der Aufstand der Tiroler Bauern gegen die französisch-bayerische Besatzung war wohl verständlich vor dem Hintergrund, dass den gläubigen Tirolern ihre religiösen Bräuche, Prozessionen und sogar das Wetterläuten verboten wurde, dass man keine Rücksicht auf die heimische Kultur und Tradition legte und sogar forderte, dass entgegen der Zusicherung des Tiroler Landlibells von 1511 die heimischen Burschen auch außerhalb Tirols einzurücken hatten.

Weniger verständlich wird der Aufstand schon mit der Begründung, dass man die Pocken-Impfung verpflichtend einführen wollte, was in manchen verklärt klerikalen Tiroler Augen die ketzerische Auflehnung gegen das gottgewollte Lebensende darstellte. Viele aus der Bürgerschicht waren daher weniger begeistert über die Landsturm- und Schützeneuphorie, dem "Feind" die Stirn zu bieten, wurden doch die Bayern und Franzosen dort als eher fortschrittlich und aufgeschlossen gesehen.

Bereits kurz nach den Kriegstagen von 1809 wurde Andreas Hofer verklärt als der wahre Volksheld, obwohl er eher unfreiwillig in die alleinige Führungsrolle gedrängt wurde. Er wurde natürlich vor allem von den napoleonischen Gegnern als Bannerträger missbraucht, weil er der erste war, der dem herrschsüchtigen Franzosen Paroli bieten konnte. Dieses Thema wird umfassend und spannend in der Ausstellung von Martin Reiter im Wörgler KOMMA dargestellt, die noch bis 22. Mai zu sehen ist und die ich jedem nur intensiv ans Herz legen kann.

In den heutigen Tagen wird der Sandwirt neuerlich missbraucht, nämlich um die Heimatverbundenheit und Werthaltigkeit des Landes Tirol anzukratzen. Im Tiroler Landtag war ich Zeuge, als die Tiroler Grünen Hofer als Taliban skizzierten, weil er erkzonservativ war, die Frauen nicht als gleichberechtigt sah, Krieg führte und der Glaube eine wichtige Triebfeder seiner Handlungen war.

Das ist mehr als nur unfair! Man muss jede historische Persönlichkeit, ihre Taten, Haltungen und Werte stets im Kontext der jeweiligen Zeit sehen. Auch wir möchten nicht in zweihundert Jahren nach dem bewertet werden, was dann opportun sein mag, sondern aus unserer heutigen Zeit und deren gültigen Rahmenbedingungen.

Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass viele Werte einer Gesellschaft nicht starr und unabänderbar sind sondern sich dynamisch mit der Entwicklung des Umfelds ändern. Wir sind daher verantwortungsvoll aufgerufen, diese Veränderungen unserer Werte argwöhnisch zu beobachten und stets auch an menschlichen, ethischen und religiösen Grundsätzen zu prüfen. Genau aus diesem Grund hat Wörgl 2009 zum "Jahr der Werte" erklärt.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Tags:
wertejahr , andreas hofer , geschichte , 1809

Blog durchsuchen



Mon Di Mi Do Fr Sa So