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Panorama Wörgl - Blog von Hedi Wechner

Sommergedanken

Am Teich eine Decke ausgebreitet
Grashalme erniedrigt
Die Nachbarin aus den Augenwinkeln belauert
Fische beim Ringeln gezählt
Dem Himmel Wolken verschoben
Kondensstreifen befühlt
Blättern beim Rascheln zugesehen
Dem Wellendrängen nachgegeben
(Levrai)

Die heißen Tage treiben uns zu den Schwimmbädern und Seen, in Biergärten, Straßencafés und Schatten spendende Unterstände.
Unerschrockene und ganz Harte schwingen sich auf ihre Räder oder quälen ihre Füße in Sport- und Bergschuhe. Um so richtig zu schwitzen, laufen sie ihre Runden oder erklimmen Berge, wohl in der Hoffnung, dort eine kühle Brise zu erhaschen.
Die Ferienzeit ist ausgebrochen, endlos stauen die Blechkarawanen auf den Autobahnen. Es scheint fast, als würde eine eherne Gesetzmäßigkeit Hunderttausende alljährlich im Sommer zur Wanderschaft zwingen. Es ist wie ein Aufbäumen gegen den Alltag, der Versuch, den üblichen Unannehmlichkeiten wenigstens eine Zeitlang zu entrinnen, dem Einerlei zu entfliehen – ob es gelingt? Die letzten Energien werden mobilisiert, den gewohnten Trott hinter sich zu lassen. Doch viele begleitet der Stress, dem sie zu enteilen versuchen, auch in den Urlaub. Sei es, dass einfach die Erwartungen zu hoch geschraubt werden, sei es, dass es unmöglich geworden ist, sich bewusst zu entspannen. Der Konsumzwang, dem wir während des Jahres unterliegen, ist auch in der Freizeit, im Urlaub, in den Tagen, die wir genießen sollten, ein zäher Dauerbegleiter geworden. Noch mehr Sightseeing, noch mehr Kilometer, die zurückgelegt werden müssen, „All-inclusive“-Angebote wollen ausgereizt werden, bis sich der Magen schmerzhaft krümmt!

Obwohl an heißen Sommertagen die Gedanken nur träge tropfen, ist es doch wert, sich zu überlegen, wie lange wir noch dem Gewinn nachjagen, noch mehr der Befriedigung unserer – oft nur künstlich erzeugten – Bedürfnisse opfern wollen, anstatt auf Entspannung, Lebensqualität und persönliches Glück zu setzen. Gewiss tragen diese „Faktoren“ nicht zur Steigerung des Bruttoinlandproduktes bei, und diese Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen enthält nun einmal nicht das individuelle Wohlbefinden.
In den Standardwerken der Wirtschaftslehre steht ja auch, dass das BIP jedes Jahr um einige Prozentpunkte zulegen muss, damit Menschen nicht ihre Arbeitsplätze verlieren, Firmen nicht in den Konkurs schlittern und die Basis unseres Sozialsystems nicht wegbricht. So war nun auch die Reaktion auf die Finanzkrise mehr als verständlich, die da landauf, landab hieß: Wir müssen alles für mehr Wachstum tun!
Wachstum ist zweifellos wichtig. Es ist eines der wichtigsten Kennzeichen und Prinzipien des Lebens. Schließlich ist der Erfolg der Evolution gekennzeichnet durch Wachstum und Zunahme von Vielfalt. Doch es gibt auch Grenzen des Wachstums. Bei Tieren lässt sich dies gut beobachten. Die Erdgeschichte zeigt, dass Wirbeltiere, die zu groß gerieten, Gefahr liefen auszusterben, sei es wegen Ressourcenknappheit, des Verlusts der Anpassungsfähigkeit an geänderte Bedingungen oder weil sie wegen ihrer Größe nur wenige Nachkommen hervorbrachten. Als Beispiel dafür mögen die Saurier dienen.

Doch der Drang nach mehr ist wohl auch unser biologisches Erbe und das Streben nach Wachstum ist wohl fast in jeder höher organisierten Kultur zu finden – Gier scheint uns angeboren. Aber glücklicherweise sind wir nicht nur Sklaven unserer Instinkte, wir haben auch ein ordentlich großes Gehirn mitbekommen, das wir auch einsetzen dürfen. Es sagt uns, dass wir die Ressourcen unserer Erde nicht länger in dem Ausmaß und der Geschwindigkeit vergeuden dürfen, wie wir es derzeit praktizieren.
Sogar Wirtschaftswissenschafter wie etwa John Maynard Keynes waren bereits überzeugt, dass eine hoch entwickelte Wirtschaft kein Wachstum mehr brauche, er forderte mehr auf Lebensqualität, persönliches Glück und Freizeit zu achten und sprach sogar von einer „Stagnationswirtschaft“.
Offensichtlich vermag kaum jemand zu sagen, wie eine Wirtschaft nach der Wachstumswirtschaft aussehen könnte und ob es sie in absehbarer Zukunft geben kann.

Liebe Leserinnen und Leser, kehren wir in den Sommer zurück, tauchen wir wieder in frisches Nass und genießen wir laue Sommerabende.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Hochsommer ohne heftige Unwetter.

Ihre Hedi Wechner
h.wechner@stadt.woergl.at

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