Ein Blog von Arno Abler
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Das Ziel unserer Gesellschaft

Gemeinderatswahlen geht traditionell immer ein persönlicher Wettstreit um Ideen, Projekte und budgetäre Schwerpunkte voraus, die natürlich auch Ideologien und Richtungsentscheidungen widerspiegeln, in die sich die jeweilige Gemeinde nach Meinung der Proponenten entwickeln soll. Das alles ist natürlich sehr wichtig, aber worum es hinter all den Investitionen, Projektplänen und Vorhaben wirklich geht, ist eigentlich etwas ganz anderes – nämlich die Werthaltigkeit unserer städtischen Gesellschaft.

Das vergangene Jahr der Werte in Wörgl war Anlass, dieses Thema ein wenig in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Wir alle sind in der Hektik der täglichen Aktivitäten ein bisschen betriebsblind für unsere ureigenen Interessen geworden. Die Sorge um unseren Wohlstand und die Wahrung unserer materiellen Interessen beschäftigen uns meist mehr als wir vielleicht wollen und verstellen den Blick auf das menschliche Fundament, um das es uns eigentlich geht, wenn wir tief in uns hineinblicken und dabei ganz ehrlich sind.

Wir alle sehnen uns nach Wertschätzung, wahrer Anerkennung als individuelle Persönlichkeit, nachhaltigem Frieden, Achtung und Achtsamkeit, gemeinsamen Freuden, tiefem Vertrauen, ehrlichen Freundschaften, das Eingebundensein in unser umfassendes menschliches Netzwerk. Zugegeben: Das ist wohl ein Utopia, ein fernes Paradies, zu dem wir seit der legendären Vertreibung aus selbigem ziemlich tollpatschig hinstreben. Eine Welt, in der Frieden herrscht, in der jede/r jede/n wertschätzt und in Freundschaft begegnet, in der Nachbarn von Hilfsbereitschaft und Unterstützung beseelt sind und das soziale Netz nicht durch Gesetze sondern durch menschliche Nähe definiert ist, ist natürlich Theorie. Aber es sollte unsere ganze Anstrengung wert sein, gemeinsam darauf hinzuarbeiten.

Nachdem bekanntlich der Geruch der Fische vom Kopf ausgeht, ist zuallererst die Gemeindeführung aufgerufen, mit gutem Beispiel voran zu gehen und in Freundschaft und gegenseitiger Achtung zusammenzuarbeiten. Kompetenzen und Interessen sollten ausschlaggebend für die persönliche Schwerpunktarbeit sein und nicht parteipolitische oder fraktionelle Strategien. Vertrauen, Offenheit und echtes Interesse für die unterschiedlichen Standpunkte müssen die kommunalpolitische Arbeit tragen und nicht Taktik und Misstrauen. Die Vielfalt der Positionen und Ansichten müssen als Chance für gute Kompromisse und gemeinsam getragene Entscheidungen wahrgenommen werden und nicht als Grund für Feindschaft und persönliche Angriffe.

Als nächstes ist die Bevölkerung in die Meinungsbildung und Entscheidungsvorbereitung in Gemeindeangelegenheiten einzubeziehen, soweit sie das möchte und dies demokratisch sinnvoll ist. Dabei hat auch hier zu gelten, dass unterschiedliche Meinungen zu komplexeren, weitsichtigeren und damit tragfähigeren Entscheidungen führen sollen und nicht zu Niederlagen oder Aggressionen.

Als nächste Ebene muss die Werthaltigkeit innerhalb der Wörgler Gesellschaft gestärkt und unterstützt werden. Ein zielführender Weg dorthin ist die aktive Förderung der Ehrenamtlichkeit und des Vereinswesens. Uneigennütziges Engagement in privaten und halböffentlichen gemeinnützigen Einrichtungen darf nicht zu Ausnutzung und Überforderung führen sondern muss ganz besondere Hilfestellung, Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Es gibt unzählige Menschen in unseren Reihen, die Zeit und Energie dafür haben, sich für schwache, hilfsbedürftige, benachteiligte, gehandicapte oder vom Schicksal getroffene Mitbürger zu engagieren. Aber sie wollen gute Rahmenbedingungen vorfinden und sich dabei wohlfühlen und echten Sinn in ihrem Engagement sehen.

Wir haben in unseren Breiten ein früher kaum vorstellbares materielles Wohlstandsniveau erreicht, das allerdings nicht für alle gilt. Unser individueller Nutzen aus weiteren Gütern, Leistungen und Annehmlichkeiten sinkt zusehends. Immer mehr Menschen finden tiefe Befriedigung darin, sich für andere einzusetzen, anstatt in größeren Autos, weiteren Urlaubsreisen und noch mehr Geldvermögen auf den Tischen des globalen Casinos.

Natürlich wird es in einer Gemeinde immer um die Zuordnung der finanziellen Mittel gehen, aber das gemeinsame menschliche Glück, die Einbindung Aller in unser gesellschaftliches Netz wird immer mehr zum zentralen Ziel. Wörgl sollte sich diese Veränderungen bewusst machen und auf den erfolgreichen materiellen Weg der vergangenen Jahre einen weiteren erfolgreichen Weg hin zur Wertegesellschaft anschließen. Das Tor steht uns offen!

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Kommentare (3)

Kommentar vom: Freitag, 26. März 2010 17:43:11

Wieso kommt man sich bei der Vorzugsstimmeng'schicht so vor ...

... wie Donald Duck, der am Ende des windigen Abenteuers vom Onkel Dagobert (wieder mal) galant aus dem riesigen Geldspeicher dirigiert wird - mit vielleicht 50 Kreuzern in der Hand? :)

Ich wette auf Grund der für mich schon längers "fühlbaren Stimmung" in der Tat auf Hedi, deren langer Atem mir schon enorm imponiert - und daß sie eben auch weitermachen würde, wenn sie's nicht wird. Ich glaub, jemandes Weg und Werk ist nicht davon abhängig, was die Mehrheit will, sondern was er selber wirklich machen möchte. Wär' ja noch schöner, wenn in einem freien Land der Wille des einzelnen davon abhängt, was ihm andere - ggf. auch mal per Denkzettel - servieren. Kurskorrektur ist Demokratie, nicht Wegweisung.

Daß die Zeit zwischen den Wahlgängen so ruhig verlaufen ist, gefällt mir übrigens sehr. - Die wenigen Plakate reichen für diesen Zweck vollkommen.


Kommentar vom: Donnerstag, 25. März 2010 14:33:55

Das sind ...

... sehr, sehr wohltuende und wohlformulierte Worte, wie man sie sich nur wünschen kann. Das liest man sich gerne dreimal durch, so schön.

Mit Stirnrunzeln mußte ich aber diese Ankündigung lesen, aus der Politik ausscheiden zu wollen, wenn die engere Wahl keine Wiederbestätigung liefern sollte.

Wie paßt jetzt da das eine (die Liebe für Stadt & Leute) mit dem anderen ("Habts mich gern ohne 50-%-Mehrheit") zusammen?

:-/

---

Ich hab' E. T. schon gefragt - bzw. eher zu fragen versucht - wegen der angeblichen Vorreihung vom 4. auf den 2. Listenplatz. - Ist eine denn eine solche wirklich erfolgt? Und wie geht das zusammen mit der erstmaligen Direktreihung der Gemeinderäte gemäß Vorzugsstimmensortierung, der alle zustimmen haben müssen?

:-/

Für mich sind das Fragezeichen, die ich mit meinem beschränkten politischem Verständnis nicht dergneis', daher die Fragen.


Antwort auf: Das sind ...
Kommentar vom: Freitag, 26. März 2010 10:12:26

Widerspruch?

Da gibt es keinen Widerspruch, Marco.
Ich habe bekanntlich nicht als Gemeinderat kandidiert sondern als Bürgermeister. Dafür hat es, wie du weißt, einen eigenen Wahlzettel gegeben. Und es kann eben nur einen Bürgermeister geben.
Wenn man nicht gewählt wird, was du für mich ja bereits prognostiziert hast, heißt das, dass auch der Weg, den man vorgeschlagen hat, mehrheitlich nicht gewollt ist. In diesem Fall ist die logische Konsequenz der Rückzug. Das ist Demokratie. Das Volk entscheidet über den künftigen Weg.
Was die Bürgermeisterliste betrifft, werden wie angekündigt jene Leute in den Gemeinderat einziehen, die die meisten Vorzugsstimmen bekommen haben. Genauso wurde es vereinbart und so wird es gemacht!


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