Ein Blog von Arno Abler
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Die Schuld der Schuldenmacher

Wie schön, ihn wieder einmal in seiner ganzen prototypischen Pracht erstrahlen zu sehen – den sozialistischen Geist der unerschütterlichen Staatsgläubigkeit und des ewigen Misstrauens gegenüber individuellem wirtschaftlichem Engagement.

In seinem Gastkommentar in der Presse vom 22.5.10 findet Österreichs Finanzstaatssekretär Andreas Schider rasch den Schuldigen an der Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise – den raffgierigen, geifernden Spekulanten.

Einmal davon abgesehen, dass der Stand der globalen Zocker sich heute nicht mehr nach dem Klischee der 30er Jahre aus zigarrerauchenden, fahlgesichtigen Großkapitalisten sondern vor allem aus Pensionsfondsmanagern, staatlichen Eisenbahngesellschaften, den Staaten selbst und über den Umweg der Anlegerbanken auch aus zahllosen Arbeitern und kleinen Sparern zusammensetzt, erschüttert der Beitrag Schiders aufgrund seiner Ignoranz jedweder gesicherter, wirtschaftlicher Grundlagen.

Spekulation ist nichts anderes als eine simple Wette. Es gibt IMMER zwei, die gegeneinander halten. Der eine setzt auf steigende, der andere auf fallende Kurse, der eine glaubt an die Kraft einer Volkswirtschaft und deren Währung, der andere sieht das pessimistischer. Der Preis der Wette findet sich automatisch dort, wo die Überzeugungen ausgewogen aufeinanderprallen. Der eine gewinnt am Ende, der andere verliert. So ist das Leben!

Derzeit glaubt man halt global etwas weniger an den guten alten Euro als noch vor ein paar Monaten, womit der Preis eben derzeit sinkt. Die europäischen Staatenlenker geben ja mometan ihr Bestes, um diese Sicht zu verstärken. Der Grund ist jedenfalls nicht ein geheimnisvoller Metaspekulant, ein verschworener Haufen von Hedgefonds oder eine subversive Rating-Agentur, welche durch ein Medienkomplott der ganzen Welt falsche Tatsachen vorspiegeln, sondern die Tatsache, dass sich die Staaten des Euro-Raums, allen voran nun mal Griechenland, allzuviel Wohlfahrtsstaat geschultert haben. Jedes Milchmädchen weiß, dass man nicht mehr Schulden machen kann, als man zurückzuzahlen in der Lage ist. Tut man es trotzdem, wird man verklagt, gepfändet und schlimmstenfalls unter Verlust von Hab und Gut in den Konkurs geschickt.

Für Staaten schien das über Jahrzehnte nicht zu gelten. Der Not keinen Schwung! Die Segnungen des Wohlfahrtsstaats haben wir uns ja alle redlich verdient (wodurch eigentlich?). Ein jährliches Staatsdefizit von 3 % (grundsolides Maastricht-Kriterium) bedeutet immer noch, dass das Unternehmen „Staat“ Jahr für Jahr einen Verlust bilanziert. Dadurch werden die Schulden ständig mehr und mehr. Wohin das irgendwann führen muss, liegt wohl auf der Hand.

Natürlich müssen die Finanzmärkte geregelt werden. Selbstverständlich müssen Investment-Banken daran gehindert werden, too big to fail zu werden. Logisch brauchen Geld und Kapital ein Rahmengerüst, um die gesellschaftliche Ordnung nicht zu gefährden. Die grundlegendste Aufgabe des Staates ist es wohl, solide Rahmenbedingungen für das reibungslose Funktionieren des täglichen Lebens zu setzen und durchzusetzen. Seine Aufgabe ist es aber ganz sicher nicht, Geld auszugeben (oftmals scheint mir dieses Wort als etwas zu vornehm), das er nicht hat, und damit nachfolgenden Generationen eine Misere zu hinterlassen. Nach uns die Sintflut!

Natürlich mutet es zynisch an, wenn Bezieher niedrigster Einkommen hören, dass wir in Österreich auch auf zu großem Fuß leben. Dies trifft aber nicht für den Einzelnen sondern für den Staat als Ganzes zu und so ist es auch allenthalben gemeint. Dass es noch immer viele Menschen an der Armutsgrenze oder sogar darunter gibt, ist schließlich ebenfalls auf fehlende oder falsche Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates zurückzuführen. Das lässt sich aber sicher nicht ändern, indem letzterer noch mehr Schulden anhäuft.

Der ökonomische Guru – von Marx mal abgesehen – der Sozialdemokratie, John Maynard Keynes, hat völlig zu Recht staatliches Deficit Spending gefordert. Heißt: In konjunkturellen Tälern soll der Staat Schulden machen, um durch zusätzliche Aufträge die Wirtschaft wieder anzukurbeln, in Zeiten der Hochkonjunktur soll er diese Schulden wieder zurückzahlen. Das dämpft die Konjunkturzyklen und führt zu nachhaltigem Wachstum. Stimmt schon. Leider haben aber so gut wie alle Staaten der westlichen Welt auf den zweiten Teil der Botschaft vergessen und auch in guten wirtschaftlichen Phasen fleißig weiter Schulden gemacht. Schließlich muss ja die zahlreiche Klientel befriedigt werden, die nächste Wahl steht ja immer vor der Tür.

Ich zitiere Sie, Herr Staatssekretär: „Nicht die Schulden haben die Krise verursacht, sondern die Krise die Schulden.“ Da verschlägt es einem den Atem. DAS ist zynisch! Dann ist wohl auch die Bank schuld am Konkurs eines Unternehmens, weil sie ihm zu viel Geld geliehen hat? Welche Krise ist denn dafür verantwortlich, dass wir (der Staat) Jahr für Jahr – Keynes würde sich im Grabe umdrehen – mehr Geld ausgeben als wir eigentlich erwirtschaften? Was gab es denn für eine Krise in den 70ern, als Ihr Parteikollege Bruno Kreisky staatstragend verkündete, dass ihm eine Million Schilling mehr an Staatsschulden lieber wären als ein einziger Arbeitsloser?

Also bitte, lieber Herr Staatssekretär, lernen Sie diesmal nicht Geschichte sondern das kleine Einmaleins der Ökonomie. Schließlich sind Sie ganz vorne mitverantwortlich für das Wohl und Wehe unserer Gesellschaft.

Arno Abler
arno@abler.woergl.at

Kommentare (8)

Kommentar vom: Donnerstag, 10. Juni 2010 15:38:09

Durcheinander

Jetzt ist mir aufgefallen, daß die Kommentare nicht in chronologischer Reihenfolge aufgelistet sind; das ist für die geneigten Leser sehr verwirrend. Könnte man das richtigstellen?


Antwort auf: Durcheinander
Kommentar vom: Donnerstag, 10. Juni 2010 16:50:40

Kommentare

Kurz zur Erklärung:
So wie bei allen Diskussionsforen wird auch hier ein unabhängiger neuer Kommentar - Link: "Neuer Kommentar" - ganz oben gleich nach dem Blogbeitrag eingefügt, damit die jüngsten Beiträge sofort gefunden werden.
Wenn man hingegen am Ende eines Kommentars auf den Link "Antworten" klickt, werden diese Antworten im Anhang an den betreffenden Kommentar in chronologischer Reihenfolge angeführt. So bleiben die einzelnen Diskussionen (Threads) kompakt beisammen. Antworten auf Kommentare erkennt man an einem kleinen nach rechts weisenden Dreieck vor der Überschrift.


Kommentar vom: Donnerstag, 10. Juni 2010 15:11:49

Alles klar

Du, lieber Arno, hast die Lage - wie gewohnt - glasklar und mit offenen Worten sowie ohne Beschönigungen analysiert und hebst Dich damit vom Gros der sogenannten "Analysten", die irgendetwas schwammig vorhersagen (ein Beispiel folgt im nächsten Absatz), was dann nicht eintritt, und anschließend nicht verlegen sind, ihre Fehlprognosen noch schwammiger mit Irrtümern anderer zu begründen (sozusagen "Schwarze Schwäne" vorzuschieben), sehr positiv ab. Ähnlich verhält es sich übrigens mit den "Rating-Agenturen", die - wie der Wetterbericht - hinterher immer genau sagen können, warum ihre Vorhersagen eben NICHT eingetroffen sind.

Nur mit Deiner Einschätzung des SFR, auch CHF genannt, gehe ich nicht ganz konform, um mein früheres Beispiel (das mit den auf Nadeln sitzenden Häuslbauern mit Fremdwährungskrediten) noch einmal aufzuwärmen. Vor zwei Jahren stand der Franken im Verhältnis zum €uro auf ca 1,65; anläßlich der Wirtschaftkrise fiel er auf bis zu 1,46, und nunmehr - durch Griechenland und die anderen von Dir aufgezeigten Dinge - steht er auf ca 1,38; das ist ein Verlust von fast 17 %. Mit anderen Worten: wer vor zwei Jahren einen SFR-Kredit über - sagen wir - 200.000 €uro aufgenommen hat, steht nun mit 234.000 €uro bei der Bank in der Kreide.

Anlässlich dieser Stärke des Franken befrug ich vor ca einem Jahr sowohl Analysten von Großbanken als auch private Finanzdienstleister; alle schworen einträchtig Stein und Bein darauf, er werde zu Ende 2009 wieder bei 1,59 bzw 1,60 angelangt sein - Irrtum, sprach der Hahn und ... na ja, lassen wir das. Es kam die Griechenland-Krise, alle scheinen in den Franken zu flüchten, aber auch in Gold und Immobilien, und der Euro sank und sank und sinkt weiter, und die Eidgenossen tun - außer ein paar Stützkäufen hin und wieder in unregelmäßigen Abständen - nichts dagegen, wie es scheint. Irgendwann werden sie aber auch wieder exportieren wollen (und müssen), und dann dreht sich die Peristaltik wieder um - was zuerst hinten herauskam, kommt dann vorne heraus, und wer das wußte, hat wieder daran verdient ... (ICH gehöre nicht dazu). Die Analysten indes werden erneut genau wissen, warum ihre Prophezeihungen NICHT eingetreten sind.

Dergestalt von schwarzen Schwänen gejagt, bedanke ich mich für Deine Ausführungen, hoffe, daß sie von vielen gelesen (und verstanden) werden, und grüße Dich ganz herzlich als Dein
Arthur


Antwort auf: Alles klar
Kommentar vom: Donnerstag, 10. Juni 2010 16:55:57

Fremdwährungsdarlehen

Tja, wenn man sein Häuschen in einer fremden Währung finanziert und damit auf künftige Wechselkurse bzw. Zinsniveaus wettet, ist man - auch wenn einem das von smarten Bankern in salbungsvollen Worten empfohlen wird - eben auch ein Spekulant :-)


Kommentar vom: Mittwoch, 09. Juni 2010 10:19:18

Das erhellt einiges

Lieber Arno,

Du verstehst es meisterlich, die Zusammenhänge in ein allgemeinverständliches Schema einzubauen, das die wahren wirtschaftlichen Zusammenhänge und die - im Grunde - ungeheuerlichen Geldverschiebungsaktionen gewisser (oder besser: gewissenloser) Spekulanten erhellt.

Natürlich muß man dazu Deine Fachausdrücke wie Hedgefonds, Optionen, Derivate u. dgl verstehen sowie Englisch können (was mir alles nicht schwer fällt), aber auch ohne das vermag man zu erkennen, was da so läuft, und vor allem, wie es zusammenpaßt. Natürlich hilft Dir dabei Dein Brotberuf als Steuerberater, aber ich erkenne, daß Du Dich mit diesen Dingen wesentlich weiter und mehr beschäftigst, als es normalerweise norwendig ist.

Bitte fahre mit Deinen Analysen fort; interessant wäre Deine Meinung, warum man ausgerechnet und gerade derzeit den Euro so fallen läßt, und wer das veranlaßt.

Viele Häuslbauer, die derzeit noch SFR-Kredite laufen haben, können vermutlich nicht schlafen, weil sich ihre Kreditobligationen durch die Euro-Schwäche in ungeahnte (und unabgesicherte) Höhen verabschieden sowie zudem die Banken - im Falle von Privatkrediten unerlaubterweise - bei nicht entsprechenden Nachschüssen der Kreditnehmer Zwangskonvertierungen verlangen, oder gar androhen, die Kredite zu kündigen, was sich leider sehr viele Kreditnehmer gefallen lassen (im Unwissen um ihre Rechte und die höchstgerichtliche Judikatur; keiner kann zu Nachbesserungen oder einer Konvertierung gezwungen werden!).

Natürlich wird sich der Euro - wenn alle darauf abgeschlossenen Spekulationen (hinauf und hinunter) Erfolge gezeitigt haben werden - wieder erholen, und das Spiel geht in umgekehrter Reihenfolge weiter: der Dollar wird schwächeln, der Yen steigen und so weiter. Auch die Aktienmärkte - derzeit wieder einmal in einer Baisse - kommen irgendwann wieder hoch, und dann knallen sie dereinst wieder hinunter, ganz wie es den Hedgefondsmanagern bzw -eigentümern und ihren Kollegen paßt. Im Prinzip - so stellt es sich dar - nur ein abgekartetes Spiel von Spekulanten, die einen langen Atem sowie finanzielles Stehvermögen haben und denen der "kleine Mann", aber auch der "kleine Spekulant" (die dadurch alles verlieren können), völlig wurscht ist.

Auf weitere interessante Aspekte zu diesen Themata an diesem Ort hofft mit besten Grüßen -
Arthur


Kommentar vom: Donnerstag, 10. Juni 2010 08:05:29

€uro-Schwäche

Nun, lieber Arthur, die derzeitige €uro-Schwäche hat einen Grund und einen Anlass.

Der Anlass ist, dass Griechenland trotz jahrelanger Warnungen durch die Rating-Agenturen keine Anstalten machte, seinen Staatshaushalt in den Griff zu kriegen. Die hehre Wiege der Demokratie hat über Jahrzehnte der Not keinen Schwung gelassen und unter Ignoranz ausufernder Verschuldung eine Klientelpolitik betrieben sowie einen völlig überzogenen Beamtenstaat aufgebaut, in deren Schatten Korruption und Schattenwirtschaft fröhliche Urständ feierten. Steuern zu zahlen, war dort in letzter Zeit schon fast ein Kavaliersdelikt.

Irgendwann - der Krug geht bekanntlich so lange zum Brunnen, bis er erbricht - wurde zwangsläufig die Bonität des griechischen Staates abgewertet (und die bösen Rating-Agenturen für diesen ungeheuerlichen Schritt heftig gescholten), was dazu führte, dass dieser für seine neu emittierten Anleihen immer höhere Zinsen zu zahlen hatte. Das führt wie in einer Teufelsspirale zu noch höheren und unfinanzierbareren Staatschulden. Nachdem irrwitziger Weise solches aber nicht wie man annehmen würde darin gipfelt, dass der Staat in Konkurs oder Ausgleich geht und seine leichtsinnigen Gläubiger leer ausgehen, wird bei uns solch schändliche Haushaltsführung durch Geldspritzen der EU-Kollegen noch belohnt, damit deren Banken nicht ihr Geld verlieren. Die Staaten schützen mit dieser Vorgangsweise die Vermögenden auf Kosten der Mittelschicht, welche bekanntlich immer die Last zu tragen hat. Das Risiko, das man mit hohen Anleihezinsen abdeckt, existiert also de facto nicht. Ein Eldorado für Spekulanten und Portfoliomanager!

Auf die griechischen Neuigkeiten hin fokussierte die globale Finanzwelt - Sauron lässt grüßen - ihren Blick schlagartig auf Europa und die €uro-Zone, zu der Griechenland ja tückischer Weise und unverdient dazugehört. Die Folgen kennen wir: Auch Portugal, Spanien, Italien und England kommen ins Kreuzfeuer der Rating-Agenturen und müssen höhere Zinsen für ihreStaatsanleihen berappen, was natürlich insgesamt die gemeinsame Währung unter Druck bringt. Klar, dass weltweit die Begeisterung, den €uro als bedeutenden Anteil in den Devisen-Portfolios zu führen, durch solche Nachrichten nachlässt, dieser - das haben wir schon ausgeführt - vermehrt auf den Markt drängt und sein Kurs dadurch, verstärkt durch zyklisch eingesetzte Derivate (Devisentermingeschäfte, etc.), fällt. Das ist fürs Erste mal kein Problem, macht es doch unsere Wirtschaft am Weltmarkt konkurrenzfähiger, weil europäische Produkte dadurch billiger werden. Das könnte sogar zu einem deutlichen Wachstumsschub führen. Natürlich - jedes Ding hat zwei Seiten - wird alles, was wir nach Europa importieren, vor allem Erdöl und Erdgas, teurer, auch Urlaube in Übersee.

Irgendwo muss das Geld nun aber hin, das aus dem €uro abgezogen wird, sodass andere Währungen (z.B. der US$ als derzeit einzige Weltleitwährung mit ebenfalls erheblichen Problemen oder der sfr als lädierter Welt-Safe) erhöhte Nachfrage verzeichnen können. Der Schweizer Franken ist übrigens massiv bemüht, gegenüber dem €uro nicht allzu stark aufgewertet zu werden, weil die Schweiz mitten in Europa stark von den Exporten in den €uro-Raum abhängig ist, welche natürlich derzeit teurer werden und damit an Konkurrenzfähigkeit verlieren.

Nun zum Grund der €uro-Schwäche. Der liegt tiefer.
Die westliche Welt hat seit dem letzten großen Krieg sorglos in den Tag gelebt und ihren Wohlstand auf einem instabilen Schuldenberg errichtet. Das geht solange gut als das Wirtschaftswachstum groß genug ist, um mit ständig steigenden Steuereinnahmen die Zinsen zu zahlen bzw. theoretisch auch die Nominalschuld. Wenn nun aber, wie kürzlich geschehen, eine Blase platzt und damit plötzliche eine hartnäckige Rezession einleitet, geht sich diese Rechnung nicht mehr aus. Und vor dieser Situation stehen wir jetzt. Die Staaten Europas (und nicht nur diese) können ihre durch Ideologie und Lobbyismus ausgefransten Verpflichtungen nur mehr mit noch viel mehr Schulden (siehe Griechenland!), durch drastische Sparmaßnahmen (die Lobbies werden das wohl nicht zulassen) und/oder durch massive Steuererhöhungen erfüllen. Das geht zwar auch anderen Währungsräumen so, aber keiner ist so angreifbar wie das multilaterale und politisch zerfledderte Europa, das zwar eine Währungsunion ist, aber sich - wer A sagt, sollte auch B sagen - nie auf eine einheitlche Wirtschafts- und Steuerpolitik einigen konnte.

Der vierte Weg, den Schuldenberg loszuwerden, ist übrigens eine fesche Inflation. Ich lass dich mal raten, wie es weitergeht :-)

Liebe Grüße
Arno


Kommentar vom: Dienstag, 08. Juni 2010 19:50:12

Sind Spekulationen wirklich bloß Wetten?

Lieber Arno,


zunächst möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, daß Du diesen Deinen Blog nach so langer Zeit weiterführst und nicht etwa abschließt. Alles andere hätte mich auch überrascht, wie ich gerne zugebe.

Mit Deiner Replik auf die Ansichten des Staatssekretärs hast Du ganz meine Meinung getroffen. Die populistische Art und die "hingebogenen" Argumente des zitierten Politikers sind sehr leicht zu durchschauen, wie Du uns beredt vor Augen geführt hast.

Allerdings komme ich nicht ganz mit Deiner Ansicht klar, eine Spekulation sei eine Wette. Denn eine Wette benötigt immer zwei Wettpartner und ein drittes, von denen nicht beeinflussbares Unbekanntes. Der Spekulant "wettet" dergestalt - wenn man Deine These zugrundelegt - gegen dieses unbekannte Etwas, also gegen eine Währung, eine Aktie, ein anderes Wertpapier oder gegen zB Gold; indes, dies alles kann ja die Wette nicht verlieren. Das könnte nur ein Wettpartner, der aber nicht vorhanden ist.

Vielleicht liege ich auch falsch, und Du kannst mir erklären, wie Du das gemeint hast. Möglicherweise betrachtest Du die jeweilige Bank oder etwa die Börse als Wettpartner, der gegen Dich verliert oder gewinnt? Ganz kann ich mich dieser Ansicht allerdings nicht anschließen, denn diese Unternehmen "verwetten" ja ohnehin niemals ihr eigenes Geld, sondern immer jenes der Anleger (zB jenes der ÖBB letztes Jahr ...).


Viele Grüße -
Dein
Arthur Pohl


Kommentar vom: Mittwoch, 09. Juni 2010 07:06:55

Ist Spekulation eine Wette ?

Lieber Arthur,

vorab vielen Dank für deinen Kommentar zu meinem Blogbeitrag, dessen nunmehr aufgeworfene Fragen ich hiermit gerne beantworte.

Das Grundprinzip jeder Spekulation, sei es an einer Börse oder Over The Counter, ist immer der Markt, der bekanntlich aus Anbietern und Nachfragern besteht. Ebenfalls hinlänglich bekannt ist die Tatsache, dass der Preis im Normalfall (und wir reden hier nicht von den Ausnahmen) aus der Konfrontation von Angebot und Nachfrage entsteht. Das heißt, wenn ein Wirtschaftsgut in großer Menge zum Verkauf angeboten wird, es aber nur wenige haben wollen, pendelt sich der Preis dort ein, wo einige der Anbieter sagen: "Das ist mir zu wenig, da behalt ich das Ding lieber," und einige neue Nachfrager interessiert dazukommen mit der Begründung: "Ui, wenn das so billig ist, dann möchte ich das auch haben."

Kurz gesagt: Der Preis bildet sich dort, wo Angebot und Nachfrage übereinstimmen.

Genau so funktioniert das bei den Spekulationen. Bei Aktien, Geld in verschiedenen Währungen, Optionen und Derivaten wie CDO (filetiert verramschte Häuslbauerkredite), Zinscaps (Absicherung gegen steigende Zinsen) oder CDS (Kreditausfallsversicherungen) verhält es sich wie bei den erwähnten Marktgegenständen. Es gibt immer Spekulanten, die kaufen wollen, und andere die verkaufen möchten. Auf deren Augenhöhe bildet sich der Preis (Kurs).

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Bereich der Währungen: Ein hoher Politiker eines osteuropäischen Staates verkündet in einer Pressekonferenz flapsig, dass sein Land vor der Pleite steht. Diese leichtsinnige Nachricht geht rasant um die Welt und führt dazu, dass viele Besitzer dieser Währung denken: "Um Himmels willen, da muss ich jetzt raus!" und versuchen, ihre Devisen zu verkaufen. Damit steigt das Angebot am Markt - der Preis (Kurs) sinkt. Genauso verhält es sich, wenn Rating-Agenturen einen Staat schlechter bewerten. Spekulanten verstärken nun diese grundsätzlichen Stimmungen, indem sie mit gehebelten Finanzinstrumenten wie zum Beispiel die genannten CDS auf das Eintreten dieser veränderten Marktstimmungen setzen (wetten), aber auch sie sind angewiesen auf einen (oder mehrere) Partner, die am anderen Ende des Marktes glauben, dass diese Marktveränderung nicht oder nicht in diesem Ausmaß eintreten wird, und dagegen halten (den CDS zum aktuellen Marktpreis kaufen). Dies können Banken sein, Hedge-Fonds, private Großanleger oder öffentlich-rechtliche Eisenbahngesellschaften. Im Normalfall sind es aber die Staaten selber, die ihre Währung durch Käufe stützen, indem sie Devisen anderer Währungen dafür hergeben.

Bei sehr hohen Summen, wie sie mittlerweile große Hedge-Fonds zu bewegen im Stande sind, wird durch die Hebelwirkung der Finanzderivate aus dieser Wette aber immer öfter aber bis zu einem gewissen Grad eine Self-Fulfilling-Prophecy. Das ist wie beim Pokern: Wenn ich bei einem Spiel ohne Limit so viel Geld habe, dass mein Gegner irgendwann mangels Kapital aussteigen muss, gewinne ich mit dem schlechtesten Blatt. So geschehen vor Jahren mit dem britischen Pfund und der italienischen Lira durch George Soros, den ungekrönten Kaiser der Spekulanten. Die Frage ist dann: Wer hat den längeren Atem? Ein Staat mit hohen Devisenreserven wie zum Beispiel China, kann natürlich so nur sehr schwer in die Knie gezwungen werden. Hier sieht man auch, wie extrem vernetzt diese Dinge sind. China würde wohl nicht zusehen, wenn zum Beispiel auf einen fallenden Dollar spekuliert würde, schließlich hält das Land 2,1 Billionen Dollar an Devisen, den Großteil davon direkt in US-Dollar.

Die amerikanischen Häuslbauerkredite, bei denen die Misere ihren Ausgang nahm, wurden von den kreditgewährenden Hypothekenbanken an so genannte SPVs (eigene Gesellschaften nur zu dem Zweck, dass die Banken ihre Außenstände aus den Bilanzen heraus bekamen) verkauft, zusammengeschnürt, gestückelt und AAA-verpackt unter dem "innovativen" Namen CDOs (Collateral Debth Obligations) in die ganze Welt verramscht. Marketing haben die Amis schon immer beherrscht. Diese CDOs wurden vor allem von leichtgläubigen europäischen Banken gekauft, von denen viele noch immer meinen, dass alles gut ist, wenn es nur von jenseits des großen Teichs kommt. Der Preis dieser Papiere bildete sich aus Angebot und Nachfrage. Nachdem die Immobilienblase in den Staaten endlich geplatzt war (war ja abzusehen), waren viele dieser CDOs ihr Papier nicht mehr wert. Ihre aktuellen Besitzer haben in diesem Fall die Wette verloren und mussten ihre Aktiva zu lasten des Eigenkapitals abwerten.

Würde sich das Spielchen lediglich zwischen Großkapitalisten abspielen, wäre das noch kein Problem. Sollen sie doch mit ihrem Spielgeld zocken, wenn sie möchten. Aber dem ist leider nicht so. In Wahrheit ist die Realwirtschaft untrennbar mit den globalen Finanztransaktionen vernetzt und sei es nur, weil Pensionsfonds ihre Treuhandgelder ebenfalls im Pott haben und, wenn die Kugel ins falsche Loch fällt, damit die Kaufkraft künftiger Rentnerscharen schmälern. Die sind dann als Konsumenten und Nachfrager realer Güter weniger leistungsfähig, fragen weniger Güter und Leistungen nach, schwächen damit die Wirtschaft, die ihrerseits Arbeitskräfte entlassen muss. Das alte Spiel!

Ich hoffe, damit ein wenig Licht in diese komplexe Thematik gebracht zu haben.

Liebe Grüße
Arno


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