Ein Blog von Arno Abler
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Der schwarze Schwan

Selten hat mich ein Buch so beeindruckt wie „Der schwarze Schwan“ von Nassim Nicholas Taleb.

Der Titel beschreibt die Tatsache, dass man in Europa über Jahrhunderte hundertprozentig sicher war, dass ein Schwan stets weiß sein muss, bis nach der Entdeckung Australiens mit dem Trauerschwan auch schwarze Schwäne bekannt wurden.

Der schwarze Schwan ist bei Taleb ein Symbol für immer wieder auftretende unvorhergesehene Ereignisse auf allen erdenklichen Gebieten, die enorme Auswirkungen haben. Dabei geht es ihm nicht um den Zufall der Spielcasinos, sondern um extreme Risiken und Chancen, die zwar sehr selten sind, aber niemals ausgeschlossen werden können. Besonders „gefährlich“ sind dabei jene schwarzen Schwäne, deren Existenz man nicht einmal vermutet.

Der Autor widerlegt mit spitzer Zunge und fesselnd unsere ständige Zugrundelegung der Gaußschen Normalverteilung und platonischer Maßstäbe auf Statistik, Wirtschaft, Katastrophen und so gut wie alle unsere „normalen“ Lebenssituationen. Er nennt dieses Land der Berechenbarkeit, das wir uns der Einfachheit halber stets vorgaukeln, Mediokristan und setzt es gegen Extremistan, das Land, in dem wir tatsächlich leben, und dessen Überraschungen wir nie im Voraus kennen.

Die Geschichte betrachten wir immer im Rückspiegel, nachdem alles schon passiert ist, und rechtfertigen dann die Entwicklung der Ereignisse mit logischen Kausalitäten. Im Vorhinein ist es aber – was dieses Buch stichhaltig zeigt – niemals kausal, welchen Weg die Geschichte gehen wird.

„Der schwarze Schwan“ hat mein Bild der Welt verändert. Es hat einen Vorhang zur Seite gezogen, der nie wieder zu schließen sein wird. Und ich bin Nassim Nicholas Taleb sehr dankbar dafür.

Arno Abler
Bürgermeister der Stadt Wörgl
a.abler@stadt.woergl.at

Kommentare (4)

Kommentar vom: Dienstag, 16. Juni 2009 11:14:54

ISBN

Lieber Herr Bürgermeister,

könntest Du bitte den Verlag und die ISBN-Nummer sowei eine ungefähre Preisangabe bekanntgeben? Nachdem Du nicht nur in Deinem Blog, sondern mir auch im persönlichen Gespräch das Buch ans Herz gelegt und davon geschwärmt hast, möchte ich es bestellen.

Danke -
Arthur


Antwort auf: ISBN
Kommentar vom: Dienstag, 16. Juni 2009 17:00:32

Buchdaten

Der schwarze Schwan
Autor: Nassim Nicholas Taleb
Gebundene Ausgabe: 455 Seiten
Verlag: Hanser Wirtschaft (1. Oktober 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3446415688
ISBN-13: 978-3446415683


Kommentar vom: Montag, 15. Juni 2009 15:34:10

Das Buch ist...

... sicher unterhaltsam zu lesen, den Rezensionen auf amazon.com nach zu urteilen; vielleicht krieg ich's mal zu fassen.

Aber ich kann mir echt nicht vorstellen, daß "Der schwarze Schwan" erhellender gewesen sein soll als Fritjof Capras "Wendezeit". Eher dürfte der "essayistische Rundschlag gegen Wahrsager, Kurventechniker und Planungsfritzen" halt recht gut zur derzeitigen Stimmung nach den Wahlergebnissen passen, die so nicht prognostiziert wurden und man sich daher fragt, wozu die Meinungsforscher eigentlich gut sind. Beispiel: Bei 21 %, hieß es im "Standard", würde die Wahlbeteiligung am 7. 6. liegen. Tatsächlich lag sie in .at und .de bei 42 %. - Gegen die Verbreitung solch falschen Zahlenmaterials durch gut- bis hochbezahlte Zahleninterpreten, die dann doch - und wohl trotz besten Bemühens - massiv danebenhauen, scheint sich "Der schwarze Schwan" zu richten.




Antwort auf: Das Buch ist...
Kommentar vom: Montag, 15. Juni 2009 17:28:45

Nicht ganz, lieber Marco

Das Buch richtet sich vor allem gegen die Berechenbarkeit der Zukunft durch die Gaußsche Normalverteilungsfunktion dort, wo das nicht gerechtfertigt ist. Bei der Körpergröße der Menschen ist eine Normalverteilung mit Standardabweichung gegeben und daher diese Berechnung sinnvoll, nicht aber zum Beispiel bei der Entwicklung der Börsenkurse, der Einkommensverteilung der Weltbevölkerung oder der Chance auf einen Buchbestseller.

Die Statistiker und Prognostiker kriegen natürlich ihr Fett weg, aber das ist eher eine Nebenfront. Für mich ist der zentrale Inhalt des Buchs das Bewusstmachen der Komplexität und damit Unvorhersagbarkeit vieler Facetten des Lebens. Es geht um die Fraktalisierung der Zukunft im Sinne von Benoít Mandelbrot, um den Schmetterlingseffekt und um die Verzerrung der menschlichen Wahrnehmung der Kausalität.

Taleb kritisiert vor allem, dass wir immer wieder in die Falle gehen und empirische Erfahrungen durch Induktion zu allgemeiner Gültigkeit erheben. Dabei lernt man in fast jeder exkaten Wissenschaft, dass nur deduktive Schlüsse sicher sind.

Das Buch wird dir gefallen!


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